„… und morgen geht’s an ein fröhliches Werben f. den Frieden.“

Mathilde Hanzels Eintreten gegen den Krieg

Mathilde Hanzel, in deren Briefen sich von Beginn des Krieges an eine kritische Haltung gegenüber dem bewaffneten Konflikt widerspiegelte, setzte sich ab 1916/1917 aktiv in diversen friedenspolitischen Unternehmungen ein.
 

Sie tat dies vor allem im Rahmen ihres ehemaligen Vereins, des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins (AÖFV), aus welchem sie zwar 1914 ausgetreten war, dem sie sich aber nach wie vor eng verbunden fühlte.

Der AÖFV war jener Flügel der Ersten Bürgerlichen Frauenbewegung, der sich während des Ersten Weltkriegs am vehementesten für den Frieden einsetzte. Neben zahlreichen einschlägigen Publikationen organisierte er im November und Dezember 1917 auch mehrere Friedensversammlungen in Wien. Mathilde Hanzel, die an diesen Treffen teilnahm, trat ebenfalls der Friedenspartei des Vereins bei, die 1917 gegründet worden war.

In einem Brief vom 23. Januar 1918 an ihren Ehemann schilderte sie den Ablauf einer dieser Friedensversammlungen: „ […] und dann fuhr ich in die Friedensversammlung, die der allg. öst. Frauenverein einberufen hatte. […] die Begeisterung der Zuhörer war so groß, daß sie mit den Füßen trampelten und der große Saal dröhnte. […] Ich bin selbstverständlich der Friedenspartei, der ich im Herzen von jeher angehörte, mit dem Beitrag (statt 1 K 2 K) beigetreten und habe auch ein hübsches Abzeichen, ein Stückchen weißes Band mit grünem Aufdruck ‚Verständigungsfrieden‘ erstanden, das ich selbstverständlich trage. In der Trambahn wurde es schweigend und nachdenklich betrachtet.“

Als Der Abend, - wie die Historikerin Petronilla Ehrenpreis herausarbeitete, ein regierungskritisches Blatt, das immer wieder „mit den Zensurbehörden in Konflikt geriet [und] zeitweilig sogar eingestellt wurde“ – Ende Oktober 1917 seine Leserinnen und Leser dazu aufrief, ihren Forderungen nach einem Verständigungsfrieden (im Sinne des Außenministers Czernin) „durch die Einsendung einer Postkarte an die Redaktion Nachdruck zu verleihen“, nahm an dieser als Drei Heller für den Frieden bekannten Aktion auch Mathilde Hanzel teil. Sie schrieb darüber am 23. Oktober 1917 an ihren Mann: „Liebster, heute war im ‚Abend‘ eine Äusserung [sic] zur Stimmabgabe f. den sofort. Verständigungsfrieden wie ihn Gr. Czernin festlegte. Ich habe sofort dafür gestimmt […] und morgen geht’s an ein fröhliches Werben für den Frieden. Endlich!“

Mathilde Hanzel thematisierte in den Briefen an ihren Ehemann immer wieder ausführlich ihre pazifistischen Konzepte und ihr aktives Eintreten für den Frieden. Diese Themen wurden aber zwischen dem Ehepaar in monologischer Form geführt. Denn Ottokar Hanzel blieb in seinen Briefen zu diesen Fragen stumm. So hieß es in einem Brief von Mathilde Hanzel dann auch. „Du willst über den Frieden nicht reden, gut […].“

Ihr Ehemann blieb wohl, auch bedingt durch seine Stellung als Offizier, in einem standesgemäßen Denken verhaftet, in dem sich ein Sprechen über den Frieden nur schwer in Einklang mit dem offiziell eingeforderten und auch von ihm selbst immer wieder kommunizierten Ehr- und Pflichtgefühl bringen ließ.

Bibliografie 

Ehrenpreis Petronilla: Kriegs- und Friedensziele im Diskurs. Regierung und deutschsprachige Öffentlichkeit Österreich-Ungarns während des Ersten Weltkriegs, Innsbruck/Wien/Bozen 2005

Flich, Renate: Frauen und Frieden. Analytische und empirische Studie über die Zusammenhänge der österreichischen Frauenbewegung und der Friedensbewegung mit besonderer Rücksicht des Zeitraumes seit 1960, in: Rauchensteiner, Manfried (Hrsg.): Überlegungen zum Frieden, Wien 1987, 410-461

Rebhan-Glück, Ines: „Wenn wir nur glücklich wieder beisammen wären …“ Der Krieg, der Frieden und die Liebe am Beispiel der Feldpostkorrespondenz von Mathilde und Ottokar Hanzel (1917/18), Unveröffentlichte Diplomarbeit, Wien 2010

Zimmermann, Susan: Die österreichische Frauen-Friedensbewegung vor und im Ersten Weltkrieg, in: Forum Alternativ (Hg.): Widerstand gegen Krieg und Militarismus in Österreich und Anderswo, Wien 1982, 88-96

 

Zitate:

„und morgen geht’s an ein fröhliches Werben ...“: Mathilde Hanzel an Ottokar Hanzel, 23.10.1917, Sammlung Frauennachlässe, Nachlass 1, Institut für Geschichte der Universität Wien

„[…] und dann fuhr ich in die Friedensversammlung ...“: Mathilde Hanzel an Ottokar Hanzel, 23.01.1917, Sammlung Frauennachlässe, Nachlass 1, Institut für Geschichte der Universität Wien

„mit den Zensurbehörden in Konflikt ...“: zitiert nach: Ehrenpreis Petronilla: Kriegs- und Friedensziele im Diskurs. Regierung und deutschsprachige Öffentlichkeit Österreich-Ungarns während des Ersten Weltkriegs, Innsbruck/Wien/Bozen 2005, 222

„durch die Einsendung einer ...“: zitiert nach: Ehrenpreis Petronilla: Kriegs- und Friedensziele im Diskurs. Regierung und deutschsprachige Öffentlichkeit Österreich-Ungarns während des Ersten Weltkriegs, Innsbruck/Wien/Bozen 2005, 223

„Liebster, heute war im ‚Abend‘ ...“: Mathilde Hanzel an Ottokar Hanzel, 23.10.1917, Sammlung Frauennachlässe, Nachlass 1, Institut für Geschichte der Universität Wien

„Du willst über den Frieden …“: Mathilde Hanzel an Ottokar Hanzel, o.D., Sammlung Frauennachlässe, Nachlass 1, Institut für Geschichte der Universität Wien

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    Nein zum Krieg

    Je länger der Krieg dauerte, desto mehr Stimmen wurden laut, die „Nein“ zum Krieg sagten. Dazu gehörten sowohl Vertreterinnen und Vertreter der österreichischen Friedensbewegung und Frauenbewegung als auch Teile der österreichisch-ungarischen Bevölkerung. Sie wurden im Verlauf des Konfliktes immer „kriegsmüder“, was sich in Streikbewegungen und Hungerkrawallen ebenso äußerte wie im Phänomen der Massendesertionen von Frontsoldaten am Ende des Krieges.

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Person

    Mathilde Hanzel (geb. Hübner)

    Die in Wien wohnhafte Bürgerschullehrerin Mathilde Hanzel engagierte sich während des Ersten Weltkriegs im Umfeld des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins wiederholt für den Frieden.

  • Person

    Ottokar Hanzel

    Der im Zivilberuf als Gymnasiallehrer tätige Ottokar Hanzel aus Wien war während des Ersten Weltkriegs als Landsturm-Hauptmann an der Italienfront eingesetzt.

  • Objekt

    Für den Frieden

    Abgebildet auf der 1000-Schilling-Note ist Bertha von Suttner, die bis heute wohl bekannteste Vertreterin der österreichischen Friedensbewegung. Während des Ersten Weltkriegs gab es viele Personen und Gruppierungen, die ihrem Beispiel folgten und gegen den Krieg und für den Frieden eintraten. Obwohl ihr Einfluss gering blieb, war ihr „Ja“ zum Frieden gerade vor dem Hintergrund der vorherrschenden und kontrollierenden Zensur ein besonders mutiges Engagement gegen den Krieg.

  • Objekt

    Das „Ich“ im Krieg

    Lange Zeit wurde der Erste Weltkrieg nur aus dem Blickwinkel öffentlicher Persönlichkeiten oder Generäle erzählt. Wie die Bevölkerung der österreichisch-ungarischen Monarchie den Krieg erlebte und überlebte, blieb hingegen im Dunkel der Geschichte verborgen. Gerade sogenannte „Ego-Dokumente“ - wie dieses Tagebuch - geben uns jedoch neue und vielfältige Einblicke in die individuellen Erlebnisse, Erfahrungen und Sinndeutungen der Menschen im Krieg.

  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?