Der „Bund Österreichischer Frauenvereine“ und das Ende eines Friedensengagements

Zwischen den Vertreterinnen der Ersten Österreichischen Bürgerlichen Frauenbewegung und Bertha von Suttner bestanden in den Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges vielfältige Kontakte.
 

Marianne Hainisch, die Präsidentin des 1902 gegründeten Bundes Österreichischer Frauenvereine (BÖFV) zählte beispielsweise zu den (wenigen) weiblichen Mitgliedern der Österreichischen Friedensgesellschaft; Bertha von Suttner wiederum übernahm den Vorsitz in der Friedenskommission des BÖFV. Auch Auguste Fickert, Gründungsmitglied und Vorsitzende des 1893 ins Leben gerufenen Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins (AÖFV), und Bertha von Suttner tauschten sich regelmäßig schriftlich aus und arbeiteten vereinzelt zusammen.

Sowohl der BÖFV als auch der kleinere, von Gisela Urban 1930 als „radikal“ bezeichnete AÖFV, waren in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg bemüht, ihren Friedensaktivitäten im Rahmen internationaler Kontakte, Organisationen, Versammlungen und Konferenzen nachzugehen. Dies äußerte sich beispielsweise darin, dass im Jahr 1899 Mitglieder des AÖFV eine erste große Frauen-Friedenskundgebung in Den Haag unterstützten, in deren Umfeld es zu Frauenversammlungen in 18 Ländern kam; darunter auch in der Habsburgermonarchie, wo Versammlungen in Prag und Wien stattfanden.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges machte den Friedensaktivitäten des BÖFV, der einen Großteil der bürgerlichen Frauen repräsentierte, jedoch schlagartig ein Ende. Marianne Hainisch begründete dies kurz nach Kriegsausbruch in der Zeitschrift des Vereins Der Bund mit den folgenden Zeilen: Wir sind „tief erschüttert und beklagen den Krieg, er trifft uns furchtbar, aber dennoch können wir dagegen nichts tun. Es wäre Verrat an dem Vaterlande und an unseren Männern, die es verteidigen, wenn wir jetzt für den Frieden eintreten würden.

Marianne Hainisch und die Mitglieder des BÖFV engagierten sich während der Kriegsjahre patriotisch für das ‚Vaterland‘, was sich beispielsweise darin äußerte, dass Vertreterinnen des BÖFV zusammen mit dem christlichen Wiener Frauenbund, der sozialdemokratischen Frauenorganisation, der katholischen Frauenorganisation Niederösterreichs und der Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs in der sogenannten „Frauen-Hilfsaktion im Kriege“ tätig waren.

Nun lehnte der BÖFV das Eintreten für den Frieden ebenso ab wie weitere internationale Beziehungen und Kontakte zu Vertreterinnen und Vertretern der Frauen- und Friedensbewegung aus ‚feindlichen‘ Ländern.

 

Bibliografie 

Anderson, Harriet: Utopian Feminism. Women’s Movements in Fin-de-Siecle Vienna, New Haven 1992

Cohen, Laurie R. (Hrsg.): „Gerade weil Sie eine Frau sind …“ Erkundungen über Bertha von Suttner, die unbekannte Friedensnobelpreisträgerin, Wien 2005

Flich, Renate: Frauen und Frieden. Analytische und empirische Studie über die Zusammenhänge der österreichischen Frauenbewegung und der Friedensbewegung mit besonderer Berücksichtigung des Zeitraumes seit 1960, in: Manfried Rauchensteiner (Hrsg.): Überlegungen zum Frieden, Wien 1987, 410-461

Hamann, Brigitte: Österreichische Frauen in der Friedensbewegung, in: Reingard Witzmann (Hrsg.): Aufbruch in das Jahrhundert der Frau? Rosa Mayreder und der Feminismus in Wien um 1900. Wien 1989, 134-142

Lackner, Daniela: Die Frauenfriedensbewegung in Österreich zwischen 1899 und 1915, Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Wien, Wien 2008

Rebhan-Glück, Ines: Die österreichische Frauenbewegung und der Krieg, in: Alfred Pfoser/Andreas Weigel (Hrsg.): Im Epizentrum des Zusammenbruchs. Wien im Ersten Weltkrieg, Wien 2013, 82-87.

Urban, Gisela: Die Entwicklung der Österreichischen Frauenbewegung. Im Spiegel der wichtigsten Vereinsgründungen, in: Frauenbewegung, Frauenbildung und Frauenarbeit in Österreich. Hrsg. im Auftrag des Bundes Österreichischer Frauenvereine, Wien 1930, 35-64

Zimmermann, Susan: Die österreichische Frauen-Friedensbewegung vor und im Ersten Weltkrieg, in: Forum Alternativ (Hrsg.): Widerstand gegen Krieg und Militarismus in Österreich und Anderswo, Wien 1982, 88-96

 

Zitate:

„[...] den Vorsitz in der Friedenskommission ...“: Cohen, Laurie R. (Hrsg.): „Gerade weil Sie eine Frau sind …“ Erkundungen über Bertha von Suttner, die unbekannte Friedensnobelpreisträgerin, Wien 2005, 85

„radikal“: zitiert nach: Urban, Gisela: Die Entwicklung der österreichischen Frauenbewegung. Im Spiegel der wichtigsten Vereinsgründungen, in: Frauenbewegung, Frauenbildung und Frauenarbeit in Österreich. Hrsg. im Auftrag des Bundes Österreichischer Frauenvereine, Wien 1930, 34

„zu Frauenversammlungen in 18 Ländern …“: Flich, Renate: Frauen und Frieden. Analytische und empirische Studie über die Zusammenhänge der österreichischen Frauenbewegung und der Friedensbewegung mit besonderer Berücksichtigung des Zeitraumes seit 1960, in: Manfried Rauchensteiner (Hrsg.): Überlegungen zum Frieden, Wien 1987, 419

„tief erschüttert und beklagen …“: Marianne Hainisch, Die Friedensbestrebungen und die Frauen, in: Der Bund, (1914), 9/8, 11, zitiert nach: Zimmermann, Susan: Die österreichische Frauen-Friedensbewegung vor und im Ersten Weltkrieg, in: Forum Alternativ (Hrsg.): Widerstand gegen Krieg und Militarismus in Österreich und Anderswo, Wien 1982, 89

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    Nein zum Krieg

    Je länger der Krieg dauerte, desto mehr Stimmen wurden laut, die „Nein“ zum Krieg sagten. Dazu gehörten sowohl Vertreterinnen und Vertreter der österreichischen Friedensbewegung und Frauenbewegung als auch Teile der österreichisch-ungarischen Bevölkerung. Sie wurden im Verlauf des Konfliktes immer „kriegsmüder“, was sich in Streikbewegungen und Hungerkrawallen ebenso äußerte wie im Phänomen der Massendesertionen von Frontsoldaten am Ende des Krieges.

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Person

    Bertha von Suttner

    Bertha von Suttner, die als erste Frau den Friedensnobelpreis erhielt (1905) ist bis heute die bekannteste Figur der österreichischen Friedenbewegung. Sie veröffentlichte den erfolgreichen Roman Die Waffen nieder und war bis zu ihrem Tod die Präsidentin der Österreichischen Friedensgesellschaft.

  • Objekt

    Für den Frieden

    Abgebildet auf der 1000-Schilling-Note ist Bertha von Suttner, die bis heute wohl bekannteste Vertreterin der österreichischen Friedensbewegung. Während des Ersten Weltkriegs gab es viele Personen und Gruppierungen, die ihrem Beispiel folgten und gegen den Krieg und für den Frieden eintraten. Obwohl ihr Einfluss gering blieb, war ihr „Ja“ zum Frieden gerade vor dem Hintergrund der vorherrschenden und kontrollierenden Zensur ein besonders mutiges Engagement gegen den Krieg.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Geschlechterrollen: (k)ein Wandel?

    Dass der Erste Weltkrieg traditionelle Geschlechterrollen von Frauen und Männern ins Wanken brachte, ist eine weitverbreitete Ansicht. Fotografien von Straßenbahnschaffnerinnen, Fuhrwerkerinnen und Briefträgerinnen zeugen dem Anschein nach ebenso davon wie die durch den Krieg erzwungene und notwendige Übernahme der männlich gedachten Rolle des Ernährers und Versorgers durch die daheim gebliebenen Frauen. Aber gab es diesen Wandel tatsächlich und was blieb nach 1918 davon übrig?