Para Pacem – die etwas andere österreichische Friedensgesellschaft
Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges gründete Adolf Müller, ehemaliges Mitglied der Österreichischen Friedensgesellschaft (ÖFG), einen eigenen Verein, der den Namen Österreichischer Verband für allgemeine Völkerverständigung „Para Pacem“ trug. Aus ihm sollte nach Kriegsende die Österreichische Völkerbundliga und daran anknüpfend die Österreichische Liga für die Vereinten Nationen entstehen.
Nach den Statuten des Verbandes trat dieser für schiedsrichterliche Lösungen von Konflikten unter den Völkern ein und setzte es sich zum Ziel, auf der Ebene der Praxis zu arbeiten. Dabei ging es dem Verband nicht darum, sich (kritisch) mit den theoretischen oder programmatischen Fragen der pazifistischen Bewegungen auseinanderzusetzen, sondern es sollten, so der Historiker Christoph Gütermann, in erster Linie praktische Initiativen und Projekte umgesetzt werden: beispielsweise in Form der Herausgabe von Vortragsreihen, Schriften und Büchern, der Gründung von Orts- und Jugendgruppen und spezieller fachlicher Abteilungen, die sich mit Pädagogik, Hygiene, u.ä. auseinanderzusetzen hatten. Damit grenzte sich der Verband auch von der Österreichischen Friedensgesellschaft um Bertha von Suttner und Alfred H. Fried ab, mit der Adolf Müller in einer gespannten Beziehung stand.
Anders als die Österreichische Friedensgesellschaft, die „auf Kriegsdauer eingestellt“ wurde, konnte Para Pacem während des Krieges seine Tätigkeiten und Aktivitäten weitestgehend aufrechterhalten. Zwischen 1915 und 1917 war es dem Verband sogar möglich, sechs Ausgaben seines Verbandsorgans, das ebenfalls Para Pacem hieß, zu veröffentlichen. Angesichts der rigoros arbeitenden Zensur mussten die darin geäußerten Meinungen jedoch mit großer Vorsicht formuliert werden. Die Resonanz auf diese Veröffentlichungen war gespalten: Einerseits kam es zu einer Vergrößerung der Mitgliederzahl des Verbandes, andererseits stieß das Friedensengagement von Para Pacem auf Kritik, da man fürchtete, ihr Plädoyer für eine Verständigung unter den Völkern könnte bei den feindlichen Mächten als Ausdruck von Schwäche gedeutet werden.
Im Jahr 1916 startete Para Pacem, wie Gütermann herausarbeitete, mit der Frage „Ist es wünschenswert und zeitgemäß schon jetzt gegen Bestrebungen Stellung zu nehmen, welche geeignet sind, nach Friedensschluß das Zusammenarbeiten der Völker zu erschweren oder ganz zu verhindern?“ eine Umfrage-Aktion, auf die 34 Personen schriftlich antworteten. Einsendungen kamen zum Beispiel von Heinrich Lammasch, der gleichzeitig der Ehrenpräsident des Verbandes war, und von den beiden Vorstandsmitgliedern Josef Schumpeter und Ignaz Seipel. Letzterer schrieb in seiner Antwort auf die von Para Pacem gestellte Frage: „Ich führe einen fortgesetzten Kampf gegen die künstliche Erregung einer Erbitterung gegenüber den Angehörigen auswärtiger Nationen und trete, wo ich nur kann, für die Aufrechterhaltung der Kulturgemeinschaft unter den europäischen Nationen ein.“
Gütermann, Christoph: Die Geschichte der österreichischen Friedensbewegung 1891–1985, in: Manfried Rauchensteiner (Hrsg.): Überlegungen zum Frieden, Wien 1987, 13–132
Zitate:
„Aus ihm sollte nach Kriegsende …“ : Gütermann, Christoph: Die Geschichte der österreichischen Friedensbewegung 1891–1985, in: Manfried Rauchensteiner (Hrsg.): Überlegungen zum Frieden, Wien 1987, 37
„[…] in erster Linie praktische Initiativen …“: Gütermann, Christoph: Die Geschichte der österreichischen Friedensbewegung 1891–1985, in: Manfried Rauchensteiner (Hrsg.): Überlegungen zum Frieden, Wien 1987, 50
„[…] sechs Ausgaben seines Verbandsorgans …“: Gütermann, Christoph: Die Geschichte der österreichischen Friedensbewegung 1891–1985, in: Manfried Rauchensteiner (Hrsg.): Überlegungen zum Frieden, Wien 1987, 52
„Die Resonanz auf diese Veröffentlichungen …“: Gütermann, Christoph: Die Geschichte der österreichischen Friedensbewegung 1891–1985, in: Manfried Rauchensteiner (Hrsg.): Überlegungen zum Frieden, Wien 1987, 53
„Ist es wünschenswert ...“: Para Pacem, Heft 2/3, 4–26, zitiert nach: Gütermann, Christoph: Die Geschichte der österreichischen Friedensbewegung 1891–1985, in: Manfried Rauchensteiner (Hrsg.): Überlegungen zum Frieden, Wien 1987, 53
„Ich führe einen fortgesetzten Kampf ...“: Para Pacem, Heft 2/3, 4–26, zitiert nach:Gütermann, Christoph: Die Geschichte der österreichischen Friedensbewegung 1891–1985, in: Manfried Rauchensteiner (Hrsg.): Überlegungen zum Frieden, Wien 1987, 54
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Kapitel
- „Die Waffen nieder“ – Bertha von Suttner, die prominente österreichische Friedensaktivistin
- „Die Österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde“ – eine nur kurze Geschichte?
- Alfred H. Fried und die Friedensbewegung im Krieg – Zwischen Zensur und Spott
- Der „Bund Österreichischer Frauenvereine“ und das Ende eines Friedensengagements
- In Den Haag oder der ‚Verrat‘ an der kriegsführenden Nation
- „… und morgen geht’s an ein fröhliches Werben f. den Frieden.“
- Der Frieden und die soziale Frage
- Die Idee von der „friedfertigen Frau“?
- Friede und Kirche – oder „Du sollst nicht töten“!
- Friede und Sprache – die Friedens- und die Esperantobewegung
- Para Pacem – die etwas andere österreichische Friedensgesellschaft
- Einzelinitiativen für den Frieden – das Beispiel Julius Meinl und Heinrich Lammasch
- „… einmal muß dieser Krieg doch ein Ende haben?!“