Eine Liebesbeziehung im Krieg

Wie in vielen Feldpostkorrespondenzen der Fall, rief das Ehepaar Hanzel auch in seinen Schreiben Erinnerungen aus der Vorkriegszeit wach und machte sich über seine Zukunft nach dem Krieg Gedanken. Der Blick auf die gemeinsame Vergangenheit und Zukunft half ihnen, den kriegsbedingten Trennungsschmerz in Ansätzen zu überwinden, war tröstend und ließ den zermürbenden Kriegsalltag – wenn auch nur für kurze Zeit – erträglicher erscheinen.
 

Ihre brieflichen Zukunftsentwürfe kreisten in erster Linie um das Zusammensein der ganzen Familie, den gemeinsamen Alltag mit den Kindern sowie ein aktives Gestalten und Ausleben ihrer ehelichen Beziehung. Sie erinnerten sich an gemeinsame Erlebnisse wie auch an den Beginn und die Entwicklung ihrer Liebesbeziehung. Mathilde Hanzel schrieb darüber beispielsweise: „„Wann ich fühlte, daß ich dich liebe, kann ich nicht mehr genau sagen. [...] Ich glaube, es war schon vor den Ferien 1904 der Fall. Ich schätzte dich sehr und freute mich, daß du gerne mit mir lerntest, [...]. Einmal, als ich schon wußte, wie du mir viel geworden warst, fragte ich dich, ob du der Meinung bist, daß zwei Menschen /Weib u. Mann/ miteinander arbeiten und sich oft treffen, ohne sich zu lieben. Du sagtest völlig entschlossen: Ich halte das für ausgeschlossen. (Nämlich daß sie nicht Liebende werden.) Ich mußte lächeln, denn du hattest damit deinen Kopf und auch den Meinen verwettet ... Herzl, wie schön ist dann alles geworden [...].“

Im brieflichen Dialog griffen die Eheleute auf vertraute sprachliche Formulierungen und Bilder zurück. Diese Schreibpraxis stellte Nähe und Intimität zwischen den Briefpartnern her, die auch mittels Träumen imaginiert wurde. In einem Schreiben von Mathilde Hanzel vom 12. Dezember 1917 hieß es dazu: „Ich bin ebenso müd als sehnsüchtig und drum will ich mich in die Kissen zurechtlegen und warten auf – Dein Kommen! Du wirst mich im Traume umfangen!“

Der Versuch, mittels Brief Nähe und Intimität herzustellen, umfasste in der Korrespondenz des Ehepaares Hanzel auch eine Kommunikation über Körperlichkeit und Sexualität. Dabei handelt es sich um eher seltene Inhalte in Feldpostkorrespondenzen, die jedoch in den Briefen von Mathilde und Ottokar Hanzel mehrfach angesprochen wurden. Die Imagination des intimen Zusammenseins der Ehepartner verblieb dabei aber innerhalb gewisser Normen und Konventionen und diente eher der Umschreibung denn seiner dezidierten Benennung.

Wie der Historiker Martin Humburg für einen Großteil der Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg feststellte, waren es vor allem „die Äußerungen zu Liebe und Partnerschaft“, die sich darin finden lassen. Diese Einschätzung trifft auch auf die Feldpostkorrespondenz des Ehepaares Hanzel aus dem Ersten Weltkrieg zu.

Bibliografie 

Hämmerle, Christa: Entzweite Beziehungen? Zur Feldpost der beiden Weltkriege aus frauen- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive, in: Didczuneit, Veit/Ebert, Jens/Jander, Thomas (Hrsg.): Schreiben im Krieg. Schreiben vom Krieg. Feldpost im Zeitalter der Weltkriege, Essen 2011, 241-252

Humburg, Martin: Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg – Werkstattbericht einer Inhaltsanalyse (= Zeitschrift für Historische Sozialforschung 1998), 8. Unter: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/beitrag/essays/feld.htm (18.06.2014)

Knoch, Peter (Hrsg.): Kriegsalltag. Die Rekonstruktion des Kriegsalltages als Aufgabe der historischen Forschung und Friedenserziehung, Stuttgart 1989

Rebhan-Glück, Ines: „Wenn wir nur glücklich wieder beisammen wären …“ Der Krieg, der Frieden und die Liebe am Beispiel der Feldpostkorrespondenz von Mathilde und Ottokar Hanzel (1917/18), Unveröffentlichte Diplomarbeit, Wien 2010

Rebhan-Glück, Ines: Liebe in Zeiten des Krieges. Die Feldpostkorrespondenz eines Wiener Ehepaares (1917/18), in: ÖGL (2012), 56/3, 231–246

Sturm, Margit: Lebenszeichen und Liebesbeweise aus dem Ersten Weltkrieg. Zur Bedeutung von Feldpost und Briefschreiben am Beispiel der Korrespondenz eines jungen Paares. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Wien 1992

 

Zitate:

„Wann ich fühlte, daß ich dich liebe ...“: Mathilde Hanzel an Ottokar Hanzel, o.D., Sammlung Frauennachlässe, Nachlass 1, Institut für Geschichte der Universität Wien

„Ich bin ebenso müd als sehnsüchtig ...“: Mathilde Hanzel an Ottokar Hanzel, 02.12.1917, Sammlung Frauennachlässe, Nachlass 1, Institut für Geschichte der Universität Wien

„die Äußerungen zu Liebe …“: Humburg, Martin: Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg – Werkstattbericht einer Inhaltsanalyse (= Zeitschrift für Historische Sozialforschung 1998), 8. Unter: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/beitrag/essays/feld.htm (18.06.2014)

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Person

    Mathilde Hanzel (geb. Hübner)

    Die in Wien wohnhafte Bürgerschullehrerin Mathilde Hanzel engagierte sich während des Ersten Weltkriegs im Umfeld des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins wiederholt für den Frieden.

  • Person

    Ottokar Hanzel

    Der im Zivilberuf als Gymnasiallehrer tätige Ottokar Hanzel aus Wien war während des Ersten Weltkriegs als Landsturm-Hauptmann an der Italienfront eingesetzt.

  • Objekt

    Das „Ich“ im Krieg

    Lange Zeit wurde der Erste Weltkrieg nur aus dem Blickwinkel öffentlicher Persönlichkeiten oder Generäle erzählt. Wie die Bevölkerung der österreichisch-ungarischen Monarchie den Krieg erlebte und überlebte, blieb hingegen im Dunkel der Geschichte verborgen. Gerade sogenannte „Ego-Dokumente“ - wie dieses Tagebuch - geben uns jedoch neue und vielfältige Einblicke in die individuellen Erlebnisse, Erfahrungen und Sinndeutungen der Menschen im Krieg.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?

  • Entwicklung

    Geschlechterrollen: (k)ein Wandel?

    Dass der Erste Weltkrieg traditionelle Geschlechterrollen von Frauen und Männern ins Wanken brachte, ist eine weitverbreitete Ansicht. Fotografien von Straßenbahnschaffnerinnen, Fuhrwerkerinnen und Briefträgerinnen zeugen dem Anschein nach ebenso davon wie die durch den Krieg erzwungene und notwendige Übernahme der männlich gedachten Rolle des Ernährers und Versorgers durch die daheim gebliebenen Frauen. Aber gab es diesen Wandel tatsächlich und was blieb nach 1918 davon übrig?