Komponistenstars und der „Große Krieg“

Fast alle der Komponisten aus den am Krieg beteiligten Ländern, die bereits vor Kriegsausbruch einen hohen Bekanntheitsgrad hatten, nahmen eine nationalistische, kriegsbejahende Haltung ein. Für einige bedeuteten die Kriegsjahre jedoch einen Schaffenseinbruch. Der Tod von vielen Bekannten und Freunden und bei manchen auch eigene Erlebnisse an der Front ließen die anfängliche Begeisterung bald schwinden. Die während der Kriegszeit entstandenen Kompositionen sind daher fast immer von der Kriegsstimmung geprägt. 

Für Edward Elgar stellte der Erste Weltkrieg einen Wendepunkt dar. Patriotisch gesinnt meldete er sich gleich zu Kriegsbeginn als Freiwilliger in einer Spezialeinheit der Polizei. An die großen Erfolge der Vergangenheit konnte der Komponist der Märsche Pomp and Circumstance nicht anknüpfen. Da seine Werke in Österreich und Deutschland, wo er zuvor viele Anhänger hatte, nicht mehr aufgeführt wurden, verlor er rasch an Popularität. Seine romantische Musik kam aus der Mode, die patriotischen Kompositionen aus der Kriegszeit blieben eher unbedeutend. 1915 begann er mit der Arbeit an einem Requiem für die Gefallenen (The Spirit of England), das er nach dem Blutvergießen in den Stellungskriegen rund um Verdun völlig desillusioniert 1917 vollendete. Kurz danach vermerkte er in einem Brief: „Two years ago I held over a section hoping that some trace of manly spirit would show itself in the direction of German affairs; that hope is gone forever & the Hun is branded as less than a beast for very many generations.” (Vor zwei Jahren habe ich einen Teil aufgehoben, denn ich hoffte, dass irgendeine Spur vom Geist der Männlichkeit in der Entwicklung der deutschen Angelegenheiten sich zeigen würde; diese Hoffnung ist jetzt endgültig verschwunden, und der Hunne ist auf sehr viele Generationen als niedriger als ein wildes Tier gebrandmarkt.) Sein letztes großes Orchesterwerk, das Cellokonzert in e-moll (1919), ein Werk voller Tragik, Resignation und Abschiedsstimmung, wird als Ausdruck von Elgars Gemütszustand interpretiert.

Der als einer der innovativsten Komponisten seiner Zeit geltende Engländer John Foulds (1880–1939) hinterließ A World Requiem, das auf christliche und hinduistische Texte aufbaut. Anders als bei Elgar reicht es über das nationale Element hinaus und ist als Requiem in Gedenken an die Gefallenen aller Nationen konzipiert.

Auch der französische Komponist Maurice Ravel (1875–1937) meldete sich freiwillig zum Kriegseinsatz, wurde aber zuerst wegen Untergewichts – ihm fehlten nur zwei Kilo, wie er enttäuscht vermerkte – abgewiesen. 1915 gelang es ihm dann, als LKW-Fahrer anzuheuern, sein Kriegsabenteuer musste er jedoch bereits 1916 aufgrund einer Erkrankung abbrechen. Der patriotischen „Nationalen Liga zur Verteidigung der französischen Musik“ (Ligue nationale de la défense de la musique française), die von 80 französischen Musikern unterstützt wurde, trat Ravel allerdings nicht bei. Er wollte die nationale Cliquenwirtschaft und das Aufführungsverbot für deutsche oder österreichische Musiker nicht unterstützen: „Il m’importe peu que M. Schönberg, par exemple, soit de nationalité autrichienne. Il n’en est pas moins un musicien de haute valeur.“ (Es ist mir egal, ob beispielsweise Herr Schönberg Österreicher ist. Er ist deswegen nicht weniger ein Musiker von großem Wert.) Während des Krieges schuf Ravel sukzessive sein Erinnerungswerk an den Barockkomponisten François Couperin Le Tombeau de Couperin. Durch die Kriegssituation erhielt sein Werk jedoch eine andere als die zu Beginn intendierte Bedeutung: Jeder der sechs Sätze ist einem im Krieg gefallenen Freund gewidmet.

Auch Claude Debussy nahm im Ersten Weltkrieg eine sehr nationale Haltung ein. Er komponierte einige patriotische Werke, darunter drei Sonaten, die in bewusster Abgrenzung zur deutschen Musiktradition an das französische Barock erinnern sollten und die er mit „Claude Debussy, musicien français“ zeichnete. 1915 komponierte und textete er Noël des Enfants qui n'ont plus de maisons (Weihnachten der Kinder, die kein Zuhause mehr haben):

Nous n'avons plus de maisons!
Les ennemis ont tout pris, tout pris, tout pris,
Jusqu'à notre petit lit! (...)

Noël, petit Noël, n'allez pas chez eux,
n'allez plus jamais chez eux, punissez-les!
Vengez les enfants de France!
Les petits Belges, les petits Serbes, et le petits Polonais aussi!

(Wir haben kein Zuhause mehr!
Die Feinde haben alles genommen, alles genommen, alles genommen,

sogar unser kleines Bett!

Jesu! Kleines Jesukind! Geh' nicht zu ihnen,
geh' niemals mehr zu ihnen, bestrafe sie!
Räche die Kinder Frankreichs!
Die kleinen Belgier, die kleinen Serben,
und auch die kleinen Polen!)

1909 erkrankte Debussy an Darmkrebs, eine Operation 1915 konnte den Tod nur mehr hinauszögern. Das Kriegsende erlebte er nicht mehr: Er verstarb nach drei qualvollen Jahren im März 1918.

Bibliografie 

Foreman, Lewis (Hrsg.): Oh My Horses! Elgar and the Great War, Rickmansworth 2001

La Grande Guerre de Maurice Ravel. Unter: http://www.verdun-meuse.fr/index.php?qs=fr/ressources/la-grande-guerre-d... (20.06.2014)

Scheyt, Jochen: Claude Debussy. Der 1. Weltkrieg. Unter: http://www.jochenscheytt.de/debussy/debussyallg/weltkrieg.html (20.06.2014)

Schlüren, Christoph: John Foulds, 1996. Unter: http://www.musikmph.de/rare_music/composers/f_l/foulds_john/1.html (20.06.2014)

 

Zitate:

„Two years ago I held ...": Michael Kennedy im Beiheft zur Aufnahme „The Spirit of England“ LSO/Hickox, EMI 1988, 3

„Il m’importe peu ...": Unter: http://www.verdun-meuse.fr/index.php?qs=fr/ressources/la-grande-guerre-d... (20.06.2014)

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