Komponistenschicksale: Krieg, Tod, Sehnsucht nach Frieden und Verarbeitung

Auch wenn es sich um eine kleine Minderheit handelt: Die Tatsache, dass viele künstlerische Talente das Kriegsende nicht erlebten, weil sie auf den Schlachtfeldern starben, wird meist verdrängt. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Musik. Andere verarbeiteten ihre Kriegserlebnisse in ihren Kompositionen.

Wer kennt schon Rudi Stephan (1887–1915), eine der größten musikalischen Hoffnungen in Vorkriegsdeutschland? Er wurde 28-jährig, wenige Tage nach seinem Eintreffen an der Ostfront in Galizien, getötet. Sein Nachlass wurde 1945 durch Kriegseinwirkung zerstört.

Albéric Magnard (1865–1914), von manchen als „französischer Bruckner“ bezeichnet, starb am 3. September 1914, als deutsche Soldaten in sein Schloss in Baron (in der nordfranzösischen Region Picardie) eindrangen und, nachdem er auf sie geschossen hatte, Feuer legten. Mit ihm verbrannten unter anderem auch die Autographe von zwei Opern und einem Liederzyklus.

Der spanische Komponist Enrique Granados (1867–1916), bekannt durch den Klavierzyklus Goyescas, starb 1916 bei der Torpedierung der Kanalfähre Sussex durch ein deutsches U-Boot im Ärmelkanal. Er ertrank beim Versuch, seine Frau aus dem Meer zu retten.

Der 1888 geborene schottische Komponist Cecil Cole wurde im April 1918 von einem deutschen Scharfschützen getötet, als er Verwundete bergen wollte. Er hatte auch im Krieg weiterkomponiert und die Manuskripte an seinen Freund Gustav Holst geschickt. Holst, ebenfalls ein Komponist, überlebte den Krieg, weil er für den Militärdienst abgelehnt worden war.

Wie Holst und Cole war auch George Butterworth ein äußerst begabter Komponist (Liederzyklus A Shropshire Lad, 1911/12) und Sammler von englischen Volksliedern. Er fiel 31-jährig 1916 in der Somme-Schlacht bei Pozières. Seine Leiche wurde nie gefunden. Von seinen Werken ist wenig erhalten geblieben; er vernichtete einen großen Teil davon, bevor er an die Front ging. Andere Musiker hatten mehr Glück: Bela Bartók, Zoltán Kodály und Bernhard Paumgartner arbeiteten weitab der Front für das k. u. k. Kriegsministerium. Walter Braunfels, der Komponist der Oper Die Vögel, überlebte den Krieg als Soldat an der Front. Er wurde durch sein Kriegserlebnis zum religiösen Menschen. Der tschechische Komponist Viktor Ullmann, der im nächsten großen Krieg – bevor er in Auschwitz ermordet wurde – im KZ Theresienstadt die Oper Der Kaiser von Atlantis schrieb und das Lied Herbst von Georg Trakl vertonte, überlebte als Artilleriebeobachter den Krieg an der Isonzo-Front.

Ralph Vaughan Williams, ein enger Freund von Butterworth, schrieb nach dem Ersten Weltkrieg eine wunderbar lyrische Symphonie, seine Dritte, die er A Pastoral Symphony nannte und in der er versuchte, die vom sinnlosen Schlachten aufgerissene und geschändete Erde der Westfront gleichsam musikalisch „wiederherzustellen“. „Es ist wirkliche eine Kriegssymphonie“, schrieb er später an seine Frau. Der Plan zur Komposition geht auf das Jahr 1916 zurück, als Vaughan-Williams die Kämpfe als Soldat der englischen Armee in Nordfrankreich selbst miterlebte.

Bibliografie 

The Life of Ralph Vaughan Williams, in: Ralph Vaughan Williams Society. Unter: http://www.rvwsociety.com (20.06.2014)

Perret, Simon-Pierre/Halbreich, Harry: Albérìc Magnard, Paris 2001

Willaschek, Wolfgang: Leben und Werk Rudi Stephans. Unter: http://www.funkstunde.com/de/musik/rudi-stephan/biographie.html (20.06.2014)

Tonaufnahme "3. Symphonie, 3. Satz (Pastoral Symphony)" Ralph Vaughan Williams. Unter: http://www.youtube.com/watch?v=rl9Jc4ni1yA (20.06.2014)

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    Gewalt im Krieg

    Gewalt war im Ersten Weltkrieg ein gesellschaftlich umfassendes Phänomen. Soldaten, Zivilisten, Frauen, Männer, Kinder und Greise waren auf die eine oder andere Weise mit ihr konfrontiert. Wie man Gewalt erlebte war unterschiedlich: Sie wurde ausgeübt und erlitten, sie war von physischer und psychischer Prägung, sie fand auf struktureller wie individueller Ebene statt, man erfuhr sie direkt oder indirekt.

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