Andrea Stangl
Erinnerungstourismus: Reisen zu den Kriegsschauplätzen
„Das Hotel-Restaurant (...) bietet Ihnen angenehme Unterkünfte in der Nähe der Schlachtfelder von Verdun. Von hier aus sind die Gedenkstätte ‚Mémorial de Fleury’, die Festungen von Vaux und Douaumont, der Schützengraben ‚Tranchée des Baïonnettes’, das Beinhaus in Douaumont und die unterirdische Zitadelle leicht zu erreichen. Reizvolles Detail: Ruhe und Gelassenheit mitten in der Stadt, Hotel mit allem Komfort.“ (Tourismuswerbung)
Die Besichtigung von Kriegsschauplätzen begann bereits während des Weltkriegs, als Mitglieder von Propagandainstitutionen, Journalisten und Fotografen an die Front reisten, um die dortigen Geschehnisse zu dokumentieren. Inzwischen ist der Gedenktourismus zum Geschäft geworden, das besonders in „runden“ Gedenkjahren Hochkonjunktur hat. So gehören die Schlachtfelder von Verdun zu den am stärksten frequentierten Orten in Lothringen. Ihre BesucherInnen steuern somit einen erheblichen Anteil an der Wirtschaftsleistung der Region bei.
Der „einfache“ Soldat wird zum Held
Vor dem Ersten Weltkrieg waren Denkmäler im militärischen Kontext ausschließlich hochgestellten Persönlichkeiten wie Feldherren und Generälen vorbehalten. Mit dem Krieg erfolgte hier ein Paradigmenwechsel: Nun wollte man mit Denkmälern auch an die „einfachen“ Soldaten erinnern und sie damit „ehren“. Den gefallenen Soldaten des Ersten (und später auch des Zweiten) Weltkriegs wurden Kriegerdenkmäler in vielen, auch sehr kleinen Ortschaften gewidmet.
Der „Siegfriedskopf“ in der Wiener Universität
Der vom Bildhauer Josef Müllner im Auftrag der „Deutschen Studentenschaft“ geschaffene „Siegfriedskopf“ wurde im November 1923 zu Ehren von gefallenen Angehörigen der Universität im Ersten Weltkrieg in der Aula der Wiener Universität aufgestellt. Das Objekt ist seit Jahrzehnten umstritten, da durch Müllner und seine Auftraggeber eine antisemitische, deutschnationale und antiliberale Gesinnung in Verbindung zu bringen ist.
„Lorbeer den des Lorbeers würdigen Soldaten“ – das Äußere Burgtor wird zum Heldendenkmal
1660 errichtet, war das Burgtor ursprünglich Teil der Wiener Stadtbefestigung und ein heftig umkämpfter Ort während der zweiten „Türkenbelagerung“ im Jahr 1683. Nachdem das Tor von den Soldaten Napoleons 1809 gesprengt wurde, dauerte es 15 Jahre bis zu seiner Wiedererrichtung durch das Militär. Die Grundsteinlegung fand in Anwesenheit von Kaiser Franz I. 1821 statt. Die Eröffnung wurde auf den 16. Oktober 1824, den elften Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, gelegt. An diesem Tag wurden im gemeinsamen „heldenhaften Kampf“ (Russland, Preußen, Schweden und Österreich) die Truppen Napoleons besiegt.
Vom „Pulverfass“ zum „Weltenbrand“ – Narrative II
„Der Betrachter kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass im publizistischen Kampf um Auflage und Gehör diejenige Deutung begünstigt wird, welche die jeweils pointierteste und prägnanteste Epochenetikettierung hervorzaubert.“
In Abhandlungen und in der Berichterstattung über den Ersten Weltkrieg tauchen immer wieder dieselben Begrifflichkeiten und Etikettierungen auf. Viele von ihnen sind eine Übernahme aus der Kriegszeit selbst oder aus den Jahren nach dem Krieg. Sie repräsentieren – großteils unreflektiert – eine Sicht, die dem heutigen Forschungsstand nicht mehr gerecht wird. Gleichzeitig schreiben sie Narrative fort, die aus gegenwärtiger Perspektive problematisch erscheinen.
Der Erste Weltkrieg als „Urkatastrophe“ – Narrative I
Es existiert wohl kaum ein Schlagwort, das öfter im Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg genannt wird, als das Wort „Urkatastrophe“. Der Begriff geht auf den US-amerikanischen Diplomaten und Historiker George F. Kennan zurück, der 1979 von „the great seminal catastrophe“ gesprochen hatte. Die deutschsprachige Übersetzung als „Urkatastrophe“ ist inzwischen zum häufig gebrauchten Narrativ geworden, das zumeist dessen Herkunft, Bedeutung und vor allem Wirkung außer Acht lässt.
Der Erste Weltkrieg als „Erinnerungsort“
Als „Erinnerungsort“ wurde der Erste Weltkrieg in Österreich und auch in Deutschland vom Gedenken an den Zweiten Weltkrieg und an den Holocaust überlagert. Im Zyklus der Jubel- und Gedenkjahre waren die Achter-Jahre (1918, 1938) stets präsenter als die „kleineren“ Vierer-Jahre (1914, 1934). Das Jahr 1918 markierte im historischen Gedächtnis Österreichs weniger das Ende des Ersten Weltkriegs als den Untergang der Monarchie und löste damit auch die endlosen Diskussionen um die Identität des einstigen Weltreiches aus, das durch die Pariser Vororteverträge zum Kleinstaat geworden war.
Kriegsklänge – Musik und Musikbetrieb während der Kriegsjahre
In Kriegszeiten dient Musik häufig als Mittel der Propaganda, wird patriotisch aufgeladen zur Rechtfertigung des Kriegseinsatzes und zur Hebung der Kampfmoral der Soldaten verwendet. Im Marsch regelt sie den Gleichschritt einer Gruppe, als Kampflied hetzt sie gegen „den“ Feind und im gemeinsamen Musizieren ist sie Ablenkung von der Kriegsrealität, Ermunterung und Trost in schwierigen Situationen.
Komponistenstars und der „Große Krieg“
Fast alle der Komponisten aus den am Krieg beteiligten Ländern, die bereits vor Kriegsausbruch einen hohen Bekanntheitsgrad hatten, nahmen eine nationalistische, kriegsbejahende Haltung ein. Für einige bedeuteten die Kriegsjahre jedoch einen Schaffenseinbruch. Der Tod von vielen Bekannten und Freunden und bei manchen auch eigene Erlebnisse an der Front ließen die anfängliche Begeisterung bald schwinden. Die während der Kriegszeit entstandenen Kompositionen sind daher fast immer von der Kriegsstimmung geprägt.