Andrea Stangl
Kein Auftrag und trotzdem Erbe: Die Habsburger in Österreich nach 1918
Mit der Ausrufung der Republik wurden dem habsburgischen Kaiserhaus und seinen Familienangehörigen jegliche Privilegien entzogen, die Beamtenschaft und die Mitglieder des Militärs vom Treueeid gegenüber dem Kaiser entbunden und die kaiserlichen Ministerien aufgelöst. Kaiser Karl betonte jedoch noch, bevor er Österreich im März 1919 verließ, in einem Manifest, dass für ihn die Beschlüsse der neuen Regierung „null und nichtig“ seien. Die neu gewählte Nationalversammlung reagierte auf diese Provokation mit einem Landesverweis und der Enteignung der kaiserlichen Familie. Gleichzeitig wurde mit dem Adelsaufhebungsgesetz das Führen von Adelstiteln verboten und unter Strafe gestellt.
Mythen und Narrative: „Der Staat wider Willen“ und „Der Staat, den keiner wollte“
1940 publizierte der Wiener Historiker Reinhold Lorenz sein Buch Der Staat wider Willen über die Zeit nach dem Ende der Monarchie. Seinen eigenen Worten nach verfasste er die Schrift „nach dem festlichen Vollzug des Anschlusses“ auf eine Aufforderung hin, um „das Erlebnis fast unbegreiflicher Verirrungen“, die „glücklicherweise“ ihr Ende gefunden hatten, als Zeitzeuge zu schildern.
Mythen und Narrative: „Der Rest ist Österreich!“ ... oder so ähnlich
„L’Autriche c’est qu’il reste“, „L’Autriche se que reste“, „L’Autriche, c’est qui reste“, „L’Autriche c’est que reste“, „L’Autriche est ce qui reste“
Umkämpfte Zonen: Denkmäler und Straßennamen
Bis zum Jahr 1928 gab es bezeichnenderweise kein Denkmal, das an den 12. November 1918 erinnerte. Das 1926 von bürgerlicher Seite errichtete Lueger-Denkmal bewog die Sozialdemokraten dazu, einen „eigenen“ Gedächtnisort zu schaffen.
Österreich, ein Land ohne Hymne
Kurz nach dem Gesetz über den Staatsfeiertag folgte jenes über ein neues Staatswappen und 1920 wurde eine Melodie von Wilhelm Kienzl, versehen mit einem Text von Karl Renner, „Deutschösterreich, du herrliches Land“, als Hymne ausgewählt. Besonders die Entstehungsgeschichte der Hymne zeigt auf, wie schwierig es war, den neuen Staat auch symbolisch so aufzuladen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger damit identifizieren konnten.
Der neue Staat sucht seinen Feiertag: Der 12. November als Schauplatz politischer Trennlinien
Mit der Proklamation der Republik mussten in Abgrenzung zur alten Ordnung auch neue staatliche Symbole gefunden werden. Im Gesetz vom 19. April 1919 wurde der 12. November zum Staatsfeiertag erklärt. Die Identifikation mit dem neuen Feiertag fiel jedoch unterschiedlich aus und spiegelt die Gegensätzlichkeiten zwischen den politischen Lagern wider.
Der 12. November 1918 als Erinnerungsort
„Ein welthistorischer Tag ist vorbei. In der Nähe sieht er nicht sehr großartig aus.“ (Tagebuch-Eintragung Arthur Schnitzler)
In der Ersten Republik schlugen sich die starke Polarisierung zwischen Arbeiterklasse und Bürgertum sowie das tiefe politische Misstrauen zwischen der sozialdemokratischen und christlichsozialen Partei auch in einer gespaltenen Erinnerungskultur und in der divergenten Haltung zu den wichtigsten politischen Gedächtnisorten der Ersten Republik nieder.
Auf dem Weg in die Republik: Die "Österreichische Revolution" zwischen Rätebewegung und Realpolitik
Aus der Traum: Das Scheitern der Bauer’schen Außenpolitik
Die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung in der Nachkriegszeit war desolat. Viele Menschen hungerten und froren, soziale Unruhen waren die Folgen. Man war auf Hilfslieferungen aus dem Ausland angewiesen, die jedoch schwer zu erhalten waren, da Deutschösterreich einerseits als Kriegsschuldiger und andererseits mit einer linksgerichteten politischen Spitze für alle Richtungen suspekt war.