Der Zustand der Habsburgermonarchie am Vorabend des Krieges

Um die Jahrhundertwende erlebte die österreichisch-ungarische Monarchie eine Blütezeit auf dem Gebiet der Kunst und der Wissenschaften, während das Land gleichzeitig von scheinbar unlösbaren sozialen und nationalen Konflikten erschüttert wurde. Unter der schillernden Oberfläche laborierte das Habsburgerreich an einer tiefen Krise.

Um die Jahrhundertwende führte die bisher gepflogene Politik des kompromissorientierten „Fortwurstelns“, die eine grundlegende Lösung der gröbsten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Missstände scheute, zu einer Erstarrung des politischen Systems.

Das brennendste Problem war die Nationalitätenfrage, die im habsburgischen Vielvölkerstaat eine besondere Sprengkraft entwickelte. Eine besondere Bedrohung für den Zusammenhalt der Donaumonarchie ging dabei vom wachsenden Deutschnationalismus aus. Auch die staatszersetzenden Tendenzen des magyarischen Separatismus nahmen zu, sodass eine Auflösung des Gesamtstaates Österreich-Ungarn drohte.

Doch auch die kleineren Nationalitäten stellten nach einem langwierigen Emanzipationsprozess Forderungen nach einer verstärkten politischen Mitwirkung. Die vergeblichen Lösungsversuche der ständig wechselnden Regierungen bewirkten das Gegenteil und mündeten in veritable Staatskrisen. Die dramatische Eskalation von ethnischen Konflikten führte zuweilen zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Die Staatsmacht konnte all dem immer weniger entgegensetzen.

Auch außenpolitisch wurde der Spielraum für die Doppelmonarchie immer enger. Deutschland war seit dem Abschluss des Zweibundes 1879 der mit Abstand wichtigste Partner der Habsburgermonarchie. Der daraus entstehenden Probleme war man sich durchaus bewusst, denn Österreich wurde zunehmend abhängig vom übermächtigen Verbündeten. In Ermangelung von Alternativen hielt man jedoch am Bündnis fest.

Die enge Anbindung Österreich-Ungarns an Deutschland wirkte nach innen jedoch stabilisierend, da das von Bismarck geschaffene Deutsche Kaiserreich territorial saturiert war und keine Erweiterungen auf österreichische Territorien ins Auge fasste. Das Bündnis mit Deutschland war auch wichtig für die Deutschen innerhalb der Habsburgermonarchie, sicherte doch die Anlehnung an den starken deutschen Partner deren privilegierte Stellung. Ein Anschluss deutschsprachiger Gebiete des Habsburgerreiches an Deutschland im Sinne des Pangermanismus war zwar der Wunschtraum der Deutschnationalen, wurde aber von Bismarck abgelehnt. Denn dieser hatte größtes Interesse an einer lebensfähigen Donaumonarchie als Partner. 

Bibliografie 

Hanisch, Ernst: Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert [Österreichische Geschichte 1890–1990, hrsg. von Herwig Wolfram], Wien 2005

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Rumpler, Helmut: Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie [Österreichische Geschichte 1804–1914, hrsg. von Herwig Wolfram], Wien 2005

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Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs – 2. Teil: 1880–1916. Glanz und Elend. Katalog der Niederösterreichischen Landesausstellung auf Schloss Grafenegg 1987, Wien 1987

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