Der Gemeinsame Ministerrat der österreichisch-ungarischen Regierung forderte am 7. Juli 1914 eine „rasche Entscheidung des Streitfalles mit Serbien im kriegerischen oder feindlichen Sinne“. Damit waren auf österreichischer Seite die Weichen auf Krieg gestellt.
Die Regierungsspitze ging auf Konfrontationskurs mit Serbien im Bewusstsein, dass dies einen Krieg mit Russland und in weiterer Folge den Beginn eines gesamteuropäischen Konflikts bedeuten würde.
Als Kriegsursache bot sich das Attentat auf den österreichischen Thronfolger an, das als aggressiver Akt Serbiens interpretiert wurde. In den Augen der Öffentlichkeit sollte der Eindruck erweckt werden, es handle sich um einen bloßen Verteidigungskrieg und der Angriff auf Serbien sei eine „gerechte Strafe“ für Sarajevo. Verharmlosend wurde der drohende Konflikt als „Strafexpedition“ bezeichnet.
In Form eines Ultimatums sollte ein Katalog von konkreten Forderungen an Serbien gerichtet werden. Diese sollten so formuliert werden, dass deren Annahme vonseiten Serbiens unmöglich wäre. Damit wäre der Weg frei für eine radikale Lösung in Form eines militärischen Eingreifens. Denn im Ministerrat herrschte die Ansicht, dass ein rein diplomatischer Erfolg, auch wenn er mit einer eklatanten Demütigung Serbiens enden würde, wertlos sei.
Mit der Veröffentlichung des Ultimatums ließ sich Wien zwei Wochen Zeit. Man wollte zuerst den Nachweis einer eventuellen Mitwisserschaft serbischer Regierungskreise am Attentat von Sarajevo erbracht sehen, was aber nicht gelang. Die Rolle der serbischen Regierung bei der Ermordung des Thronfolgers ist bis heute unklar. In der Forschung zu diesem Thema wird eine eventuelle Mitwisserschaft angenommen, jedoch definitiv keine Mittäterschaft bei der Planung des Attentats selbst. Das Fehlen jeglicher belastender Beweise wurde sogar von österreichischer Seite intern bestätigt. Für die Öffentlichkeit wurde Serbien dennoch als Aggressor hingestellt – es galt: „Serbien muss sterbien!“
Eine weiterere Ursache für die Verzögerung war das für den 20. Juli anberaumte Treffen zwischen dem französischen Ministerpräsidenten Raymond Poincaré und Zar Nikolaus II. Österreich wartete dieses Treffen ab und setze erst danach aktive Schritte, um diesen beiden potenziellen Gegnern nicht die Möglichkeit einer persönlichen Verständigung zu bieten.
Wien war bei alldem darauf bedacht, den deutschen Bündnispartner einzubeziehen. Der deutsche Botschafter Heinrich von Tschirschky war in die Entscheidungsfindung involviert, wichtige Beratungen fanden in seinem Beisein statt. Aus deutscher Sicht war der Konflikt zwischen Wien und Belgrad jedoch nur ein Nebenschauplatz und vor allem ein willkommener Grund für ein Einschreiten aufseiten des Bündnispartners Österreich-Ungarn, dem man nun zu Hilfe eilen konnte. In Wahrheit stand für Berlin von Anbeginn das Kräftemessen mit Frankreich und Russland im Vordergrund.
In den Ministerratssitzungen vom 14. und 19. Juli 1914 fiel dann der endgültige Entschluss zum Krieg. Ein offizieller Standpunkt wurde formuliert, wonach ein Angriff keinesfalls einen Eroberungskrieg gegen Serbien darstellen würde, wenngleich man sich die zeitweilige Besetzung serbischer Gebiete vorbehielt. Intern ließ man jedoch offen, was nach dem zu erwartenden baldigen Sieg mit Serbien geschehen würde.
Bihl, Wolfdieter: Der Erste Weltkrieg 1914–1918. Chronik – Daten – Fakten, Wien/Köln/Weimar 2010
Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Aktualisierte und erweiterte Studienausgabe, Paderborn/Wien [u.a.] 2009
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