Arbeiter vereinigt euch!

Von den Anfängen der Arbeiterbewegung im Revolutionsjahr 1848 bis zur Einigung der Sozialdemokratie am Hainfelder Parteitag 1888/89

Bereits im Jahr 1848 entstanden die ersten Vorboten einer Arbeiterbewegung, die maßgeblich an dem – wenn auch nur kurzfristigen – Erfolg der bürgerlichen Revolution beteiligt war. Die politischen Ansprüche deckten sich in weiten Teilen mit jenen des liberalen Bürgertums, das ebenfalls politische Mitbestimmung forderte und gegen das neoabsolutistische System, gegen Zensur und Feudalismus auftrat.


 

Neben der Forderung nach politischer Gleichberechtigung setzte sich die Arbeiterbewegung unter anderem für die Schaffung von Bildungsstätten für Arbeiter sowie die Errichtung von Kranken- und Invalidenkassen ein. Sie verfolgte im Gegensatz zu den Liberalen jedoch kein hierarchisch strukturiertes Gesellschaftsmodell und verlangte das allgemeine Wahlrecht, was schließlich zum Bruch mit dem Bürgertum bzw. dessen Vertretern führte.

Nach der Gewährung der Vereins- und Versammlungsfreiheit im Jahr 1867 entstanden in Wien und anderen Städten der österreichischen Reichshälfte – oftmals mithilfe der Liberalen – Arbeiterbildungsvereine, darunter der Erste Allgemeine Wiener Arbeiterbildungsverein. Im Zuge der industriellen Revolution und des damit verbundenen raschen Anwachsens des Großstadtproletariats kam es zur Verelendung der Arbeiterschaft, deren unwürdige Lebensbedingungen die Arbeiterbewegung zu verbessern versuchte. Die ideologischen Diskussionen wurden von zwei Denkrichtungen bestimmt, die unterschiedliche Antworten auf die soziale Frage boten. Die „Staatshilfler“ plädierten in Anlehnung an Ferdinand Lassalle für die Erweiterung des Wahlrechts und die Beteiligung der Arbeiter an den Staatsgeschäften, wodurch sie im Gegenzug Hilfe vom Staat erhalten sollten. Die „Selbsthilfler“ hingegen glaubten, dass die Arbeiterschaft mithilfe von Bildung dem Bürgertum ebenbürtig werden könnte.

Seit den späten 1860er Jahren gelang es der Arbeiterbewegung, durch die Gründung von weiteren Arbeiterbildungsvereinen, ihre politischen Aktivitäten erfolgreich auszuweiten. Sie demonstrierte für das Koalitionsrecht, für die Freiheit, politische Vereine und Gewerkschaften zu gründen – was schließlich 1870 bewilligt wurde. Ihre zunehmenden Erfolge stießen bei den Behörden jedoch auf Misstrauen, weshalb die Arbeiterbildungsvereine im Juli 1870 aufgelöst und die Führer der Arbeiterbewegung des Hochverrats angeklagt wurden.

Dabei handelte es sich jedoch keineswegs um eine einheitliche politische Bewegung, sondern um Gruppierungen mit unterschiedlichen, teils konkurrierenden Ideologien. Während die „Radikalen“ Karl Marx und Friedrich Engels folgten und die proletarische Revolution befürworteten, meinten die „Gemäßigten“, dass die klassenlose Gesellschaft auch über soziale Reformen und die Teilhabe der Arbeiterschaft an der Staatsmacht zu erreichen wäre.

Trotz der ideologischen Unstimmigkeiten kam es am 4. April 1874 im burgenländischen Neudörfl zur Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs, die jedoch weiterhin in eine gemäßigte und radikale Gruppe gespalten blieb. 1877 gelang die Zusammenführung der deutschen und tschechischen Arbeiterbewegung, was als großer Erfolg gewertet wurde. Die Einigung der Sozialdemokratie ließ noch weitere elf Jahre auf sich warten. Als jedoch die Verfolgung ihrer radikalen und anarchistischen Anhänger durch die Behörden stetig zunahm, kam man allmählich zur Überzeugung, dass die innerparteilichen Kontroversen überwunden werden müssten. Victor Adler gelang am Hainfelder Parteitag 1888/89 schließlich die Vereinigung der ideologischen Richtungen innerhalb der Sozialdemokratie.

Bibliografie 

Buchmann, Bertrand Michael: Kaisertum und Doppelmonarchie, Wien 2003

Berchtold, Klaus: Österreichische Parteiprogramme 1868-1966, Wien 1967

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Kořalka, Jiří: Die Anfänge der politischen Bewegungen und Parteien in der Revolution 1848/1849, in: Rumpler, Helmut/Urbanitsch, Peter (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Bd. VIII. Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. 1. Teilband. Vereine, Parteien und Interessenverbände als Träger der politischen Partizipation, Wien 2006, 113-143

Rumpler, Helmut: Österreichische Geschichte 1804-1914. Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie, Wien 1997

Vocelka, Karl: Karikaturen und Karikaturen zum Zeitalter Kaiser Franz Josephs, Wien/München 1986

Vocelka, Karl: Geschichte Österreichs. Kultur – Gesellschaft – Politik, 3. Auflage, Graz/Wien/Köln 2002

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Ereignis

    Revolution 1848

    Studenten fordern die Freiheit für Presse und Lehre. Arbeiter protestieren gegen die unhaltbaren Zustände. Es beginnt eine Reihe von Aufständen gegen das Regime Metternich, die zahlreiche Opfer fordern.

Entwicklungen