Getreue Rebellen: Die Rolle der Kroaten während der Revolution 1848

Die Revolution von 1848 forderte das Aufbrechen der herkömmlichen Hierarchien, auch im Hinblick auf die Emanzipation der Völker. Die Führer der sich formierenden kroatischen Nation sahen den Moment gekommen, Forderungen für ihre nationale Zukunft zu stellen.

Im Zentrum stand die Frage der staatsrechtlichen Stellung Kroatiens innerhalb der Habsburgermonarchie. Zagreb forderte die Verstärkung der kroatischen Autonomie gegenüber Ungarn, was jedoch von ungarischer Seite abgelehnt wurde. Die Führer der magyarischen Nation trachteten das historische multiethnische Königreich Ungarn in einen magyarischen Nationalstaat umzubauen, während die Kroaten sich selbst zu Höherem berufen sahen: Im nationalen Programm der Kroaten wurde eine Vereinigung der Siedlungsgebiete der Südslawen gefordert, wobei aus der Sicht Zagrebs im Sinne des Illyrismus den Kroaten die Führungsposition zufallen sollte.  

Radikale Gruppierungen gingen noch einen Schritt weiter und forderten die Schaffung eines selbstständigen Staates der Kroaten, Serben und Slowenen. Als den theoretischen Forderungen konkrete Maßnahmen folgten – kroatische Aktivisten starteten eine nationale Agitation im damals noch türkischen Bosnien und machten dem serbischen Fürstenhaus Karađorđević das Angebot, einem vereinten Illyrien vorzustehen – und somit die habsburgische Herrschaft infrage gestellt wurde, schrillten in Wien die Alarmglocken.

Eher im Sinne Wiens war die konservativ-nationale Richtung der Revolution, die aus den Reihen des Adels kam und durch Josip Graf Jelačić (1801–1859) verkörpert wurde. Jelačić war ein kaiserlicher Militär und hatte das Amt des Banus von Kroatien (Statthalter als Vertreter des Königs) inne. Pro-habsburgisch gesinnt, verfolgte er eine austroslawische Linie, wonach die Habsburgermonarchie den optimalen Rahmen für die Zukunft der zentraleuropäischen Slawen bilden sollte, und unterband den Kontakt der kroatischen nationalen Eiferer zur großserbischen Bewegung, die sich in Belgrad formierte. Jelačić bezeichnete die magyarischen Nationalisten als Hauptfeinde der kroatischen Nation. Angesichts des zunehmenden Magyarisierungsdrucks – was sich u. a. in der Forderung nach Einführung des Ungarischen anstelle des traditionellen Latein als Gerichts- und Verwaltungssprache in Kroatien bemerkbar machte – fand er im kroatischen Landadel großen Rückhalt.

Der im März 1848 einberufene kroatische Landtag (Sabor) erklärte sich zur Vertretung der Nation und forderte die Loslösung von Ungarn, die Vereinigung der kroatischen Siedlungsgebiete sowie soziale Reformen (u. a. Bauernbefreiung). Unter der Führung Jelačićs sprach sich der Sabor dezidiert gegen die politischen Anliegen der Führer der revolutionären Ungarn aus. Die daraufhin von den Ungarn geforderte Absetzung Jelačićs als Banus von Kroatien blieb folgenlos, da sich die Situation inzwischen verselbstständigt hatte. Die kaiserliche Regierung unter dem schwachen Kaiser Ferdinand war machtlos, obwohl man in Wien insgeheim froh war, dass der „getreue Rebell“ Jelačić die Energien der ungarischen Revolutionäre band.

Der kroatisch-magyarische Konflikt eskalierte in einer Reihe von militärischen Auseinandersetzungen, als Jelačić mit kroatischen Truppen in Südungarn einmarschierte. Nachdem sich die Situation in Ungarn unter der Führung von Lájos Kossuth radikalisiert und dieser den Marsch auf Wien befohlen hatte, um den Oktoberaufstand der Wiener Revolutionäre militärisch zu unterstützen, kam es am 30. Oktober 1848 zur Schlacht bei Schwechat im Südosten der Residenz, bei der die ungarischen Revolutionstruppen von kroatischen Einheiten unter Jelačić zurückgeschlagen wurden. Zeitgleich eroberten kaiserliche Truppen unter Feldmarschall Fürst Windisch-Graetz die Stadt. Damit hatte das Eingreifen der kroatischen Truppen unmittelbar zum Ende der Revolution in Wien beigetragen.

Dennoch wurden im Neoabsolutismus, dem nicht zuletzt die militärische Aktion Jelačićs zum Sieg verholfen hatte, die Forderungen der Kroaten nach einer Loslösung von Ungarn nicht verwirklicht. Die daraus entstehenden Konflikte zwischen Zagreb und Budapest waren durchaus im Sinne Wiens, das die kroatische Karte als Regulativ gegen die Forderungen der Magyaren ausspielen konnte. 

Bibliografie 

Rumpler, Helmut: Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie [Österreichische Geschichte 1804–1914, hrsg. von Herwig Wolfram], Wien 2005

Suppan, Arnold: Die Kroaten, in: Wandruszka, Adam/Urbanitsch, Peter (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Band III: Die Völker des Reiches, Wien 1980, Teilband 1, 626–733

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    „Viribus unitis“ oder Völkerkerker?

    Der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn bildete einen mehr oder weniger stabilen Rahmen für die Koexistenz einer Vielzahl nationaler Gemeinschaften.

    Die viel beschworene „Einheit in der Vielfalt“ wurde in der Realität von zahlreichen Ungleichheiten überschattet. Dies zeigte sich vor allem im unterschiedlichen Ausmaß, in dem einzelne Sprachgruppen an der politischen und ökonomischen Macht beteiligt waren.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Der Weg zur Nation – Nationale Programme und Positionen

    Das ‚Werden der Nationen’ war in Europa Teil des Emanzipationsprozesses breiterer Bevölkerungsschichten aus feudaler Bevormundung. Gemäß den Idealen der Aufklärung und der Französischen Revolution sollte die Nation – nun verstanden als Gemeinschaft freier Bürger – anstelle feudaler Potentaten die Rolle des eigentlichen Souveräns übernehmen.

    Die Idee der Nation wurde als Schicksalsgemeinschaft definiert, die durch gemeinsame Abstammung, Kultur und Sprache verbunden war. Zur Stärkung des Gruppengefühls wurde eine verbindliche Sicht der Geschichte der eigenen Nation geschaffen.