Die Serben bildeten mit ca. 1,9 Millionen oder 3,8 % der Gesamtbevölkerung (1910) eine der kleineren Nationalitäten der Habsburgermonarchie. Ihre Siedlungsgebiete waren verstreut und auf mehrere Kronländer bzw. Regionen verteilt, sodass sie nirgendwo die absolute Mehrheit hielten.
In Ungarn lebten 640.000 Serben, was 2,5 % der Bevölkerung des Königreiches entsprach. Das serbische Hauptsiedlungsgebiet in Südungarn war die sogenannte Serbische Vojvodschaft (Vojvodina).
In Kroatien-Slawonien betrug der serbische Anteil an der Bevölkerung 24,6 %. Die Serben lebten vor allem in Syrmien, einer Region im östlichen Teil Slawoniens, aber auch in jenen Teilen Kroatiens, die zur ehemaligen Militärgrenze gehört hatten.
In Cisleithanien befanden sich im Kronland Dalmatien ca. weitere 100.000 Serben. Hier wurde jedoch in amtlichen Statistiken nicht zwischen Serben und Kroaten unterschieden. Eine ungefähre Angabe ist nur mittels Gegenrechnung aufgrund der Religionszugehörigkeit zu ermitteln, ausgehend von der Annahme, dass orthodoxe Christen den Serben zuzurechnen wären.
In Bosnien und der Herzegowina, dem jüngsten Teilgebiet der Doppelmonarchie, waren die Serben mit 0,8 Millionen oder 43,5 % die zahlenmäßig größte ethnische Gruppe.
Der Grund für die extreme Streuung serbischer Siedlungsgebiete liegt in der historischen Entwicklung der Region während der Türkenkriege. Mit Ausnahme Bosniens war die Präsenz der Serben in der Doppelmonarchie das Resultat neuzeitlicher Wanderungsbewegungen. Die Serben sahen in der Habsburgermonarchie eine Schutzmacht im Kampf gegen das Osmanische Reich. Seit dem 16. Jahrhundert floss ein Strom von Flüchtlingen nach Norden. Einen Höhepunkt fand die serbische Migration am Ende des 17. Jahrhunderts, als die Serben angesichts der Erfolge der Habsburger bei der Rückeroberung Ungarns einen Aufstand gegen die türkische Herrschaft im serbischen Hinterland begannen. Als dieser 1690 scheiterte, kam es zu einer Massenflucht, und die Flüchtlinge wurden planmäßig im Gebiet der Militärgrenze in Kroatien, Ostslawonien, Südungarn und im Banat angesiedelt.
Die Serben unter habsburgischer Herrschaft konnten sich ihre Eigenständigkeit vor allem aufgrund konfessioneller Unterschiede – sie hielten an der Orthodoxie fest – erhalten. Da der Adel entweder im türkischen Teil von den Osmanen vernichtet oder im ungarischen Territorium magyarisiert war, bildete das wohlhabende serbische Bürgertum, das sich aus Donaukaufleuten und Viehhändlern zusammensetzte, das Rückgrat für die Nationswerdung. Serbische Gemeinden waren entlang der Donau bis Wien zu finden, wobei Neusatz (serb.: Novi Sad) und Karlowitz (serb.: Sremski Karlovci) als historische Zentren gelten. Serbische Kaufmannsdynastien beherrschten den Balkanhandel und bildeten eine Brücke zwischen der Habsburgermonarchie und dem Osmanischen Reich, unter dessen Herrschaft das serbische Kernland bis ins 19. Jahrhundert verbleiben sollte.
Djordjević, Dimitri: Die Serben, in: Wandruszka, Adam/Urbanitsch, Peter (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Band III: Die Völker des Reiches, Wien 1980, Teilband 1, 734–774
Hösch, Edgar: Geschichte der Balkanländer. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart, München 1999
Rumpler, Helmut: Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie [Österreichische Geschichte 1804–1914, hrsg. von Herwig Wolfram], Wien 2005
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Kapitel
- Die Kroaten in der Habsburgermonarchie
- Getreue Rebellen: Die Rolle der Kroaten während der Revolution 1848
- Die Frage der Autonomie: Die Kroaten als Spielball zwischen Wien und Budapest
- Die Serben in der Habsburgermonarchie
- Serben alle und überall: Das nationale Programm der Serben
- Die Bosniaken in der Habsburgermonarchie
- Scharia unter dem Doppeladler: Österreich-Ungarn und die bosnischen Muslime
- Vom Illyrismus zum Jugoslawismus: Konkurrierende Konzepte einer „südslawischen Nation“
- Freund oder Feind? Die Positionen der Südslawen im Ersten Weltkrieg