Die serbokroatische Sprachgruppe
In der Habsburgermonarchie wurde nicht – wie heute üblich – zwischen den südslawischen Ethnien der Kroaten, Serben und Bosniaken unterschieden. Die Sprecher dieser Sprachfamilie wurden aufgrund der großen Ähnlichkeit der Sprachen pauschal als Serbokroaten bezeichnet. Die k. u. k. Bürokratie fragte nämlich bei der Erhebung des statistischen Materials nur nach der Sprache, nicht aber nach der nationalen, kulturellen oder konfessionellen Identität.
Um die damalige Gewichtung innerhalb der serbokroatischen Sprachgruppe zu bestimmen, wird in der Regel die Konfession als Differenzierungsmerkmal herangezogen. Vereinfachend werden Katholiken den Kroaten, orthodoxe Christen den Serben und Muslime den Bosniaken zugerechnet.
Die Nationswerdungsprozesse der Serben, Kroaten und Bosniaken spiegeln die wechselhafte historische Entwicklung dieser Region im Übergangsgebiet zwischen Zentral- und Südosteuropa wider. Die einzelnen Ethnien waren dabei mit äußerst unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts gerieten die jungen Nationalgesellschaften der Südslawen in den Teufelskreis nationalistischer Extrempositionen. Die unterschiedlichen Konzepte der Kroaten und Serben, die die Führungsrolle bei der Schaffung einer „südslawischen Nation“ jeweils für sich beanspruchten, standen in erbitterter Konkurrenz. Der Widerstreit zwischen dem föderativen Konzept des Jugoslawismus und dem großserbischen bzw. großkroatischen Nationalismus sollte sogar den Zusammenbruch der Habsburgermonarchie überdauern.