Trotz der Niederlagen im Jahr 1915 verfügte die Zarenarmee noch immer über eine gewisse Schlagkraft, um den Mittelmächten empfindliche Schläge zu versetzen. Im Juni 1916 vernichtete General Alexej Brussilow ganze österreichisch-ungarische Armeen, wenngleich die Offensive nicht annähernd den Charakter einer kriegsentscheidenden Operation annahm. Als nach dem Sturz des Zaren im Frühjahr 1917 die Provisorische Regierung noch einmal auf den Schlachtfeldern reüssieren wollte, löste sie damit aber nur noch eine weitere Destabilisierung Russlands aus.
Die deutschen und österreichisch-ungarischen Oberkommanden waren gerade mit Offensiven bei Verdun und in Tirol befasst und hatten dafür eigene Verbände von der Ostfront abgezogen. Unter anderem auch von den verbündeten Ententemächten zu Entlastungsoffensiven gedrängt, nutzte der Oberbefehlshaber der russischen Südwestfront, General Alexej A. Brussilow, die verhältnismäßig günstige Ausgangslage. Mit 600.000 gegenüber 500.000 gegnerischen Soldaten schlug beziehungsweise zerschlug er die 4. und 7. k. u. k. Armee. Dabei setzte er nicht auf konzentrierte Angriffe, sondern auf eine Reihe von raschen und überfallsartig geplanten Vorstößen entlang einer breiten Front. Die Stärke der k. u. k. Truppen wurde in der Folge beinah halbiert. Die Zarenarmee nahm zirka 200.000 Feindsoldaten gefangen, ihre Frontalangriffe, die im Süden bis an die nach Ungarn führenden Karpatenpässe heranreichten, liefen sich jedoch in der Folge tot.
Als die Gegenseite Lücken in den Abwehrstellungen schloss und nachfolgende Attacken abwehrte, schien sich das Blatt wieder zu Gunsten der Russen zu wenden. Zudem erklärte die Bukarester Regierung der Habsburgermonarchie den Krieg. Für diesen Schritt waren nicht zuletzt territoriale Versprechungen der Entente verantwortlich gewesen. Schon der Kriegseintritt Bulgariens im Herbst 1915 hatte die Neutralität Bukarests zunehmend ins Wanken gebracht. Rumänien, das hauptsächlich die Einnahme Siebenbürgens anvisierte, rief in der Folge einen gemischten Verband der Mittelmächte auf den Plan, der von Bulgarien aus agierte, und sah sich gleichzeitig durch österreichisch-ungarische Operationen im Norden herausgefordert. Der Zangenangriff endete innerhalb weniger Monate mit dem Rückzug der rumänischen Armee nach Moldawien und mit dem Einmarsch der Mittelmächte in Bukarest Ende 1916.
Nach einer Ruhephase an den östlichen und südöstlichen Kampfschauplätzen ergriff nach der Februarrevolution Alexander Kerenskij, seit Mai Kriegsminister und seit Juli Premier der Provisorischen Regierung, erneut die Initiative. Die nach ihm benannte Offensive brachte aber nirgendwo den erhofften Durchbruch. Der anfängliche Kampfeswille der russischen Streitkräfte erwies sich zudem als Strohfeuer. Vielmehr häuften sich die Zeichen einer völligen Auflösung der Armee. Nicht bloß finnische, polnische und ukrainische Einheiten kündigten den Gehorsam auf, auch russische Soldaten desertierten in großer Zahl. Zeitgleich gingen die Mittelmächte von der Defensive in den Angriff über. Am 3. September 1917 besetzen deutsche Truppen Riga. Und auch die russische Hauptstadt St. Petersburg, die damals Petrograd hieß, schien bereits von einem möglichen Vorstoß der Hohenzollerntruppen bedroht.
Dowling, Timothy C.: The Brusilov Offensive, Bloomington 2008
Neiberg, Michael/Jordan, David (Hrsg.): The Eastern Front 1914–1920. From Tannenberg to the Russo-Polish War, London 2008
Rott, Irving G.: Battles East. A History of the Eastern Front of the First World War, Baltimore 2007
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Kapitel
- „Die vergessene Front“ – Die lange Vernachlässigung und das neue Interesse am „Osten“
- Charakteristika der Kriegsführung an der russischen Front
- Folgen der Offensiven und Geländegewinne
- Krieg gegen die eigene Bevölkerung
- Die Eröffnungsfeldzüge
- Die Katastrophe der Zarenarmee
- „Ein letztes Aufbäumen“ Russlands
- Die russische Revolution und der fragile Frieden im „Osten“
- Okkupation
- Gewalt ohne Ende