Die russische Revolution und ihre Folgen

Die Situation in Russland Anfang 1917 war katastrophal. Die Versorgungslage war zusammengebrochen, die Bevölkerung in den großen Städten hungerte und fror. Die Forderungen nach einer völligen Neuordnung der Verhältnisse wurden immer lauter. Die autokratische Herrschaft des Zaren stand vor dem Ende.

Ausdruck der allgemeinen Unzufriedenheit waren die Massendemonstrationen im Februar 1917. Zar Nikolaus II. gab Befehl, die Unruhen mit allen verfügbaren Mittel zu beenden, woraufhin die Soldaten meuterten und den Schießbefehl verweigerten. Dies war das Fanal für den rasanten Fall der Zarenmacht. Die Machtübernahme der konstitutionellen bürgerlichen Parteien unter Premier Alexander Kerenskij führte entgegen der Hoffnungen großer Teile der Bevölkerung zu einer Beibehaltung der Bündnispolitik und Fortführung des Krieges trotz der allgemeinen Kriegsmüdigkeit und offener Auflösungserscheinungen in der Armee.

Die bürgerliche Regierung war jedoch mit dem zunehmenden Druck der revolutionären Arbeiter- und Bauernräte („Sowjet“) konfrontiert. Um die Situation zusätzlich zu destabilisieren, ließ die deutsche Heeresleitung in einer berühmt-berüchtigten Aktion  Wladimir I. Lenin, den Führer der radikalen Partei der Bolschewiken, aus dem Exil einschleusen. Das zunehmend diktatorische Regime Kerenskijs wurde schließlich durch die bolschewistische Revolution vom November 1917 (aufgrund der verschobenen Zeitrechnung des orthodoxen Kalenders als „Oktoberrevolution“ bekannt) gestürzt.

Der Versuch, die allgemeine Forderung nach Frieden und nationaler Selbstbestimmung der Völker zu realisieren, führte jedoch zunächst zu Chaos und in der Folge in einen Bürgerkrieg.

Für das Kriegsgeschehen von enormer Bedeutung war der Zusammenbruch der russischen Armee, die schließlich am 17. Dezember 1917 kapitulierte. Dies hatte riesige Gebietsgewinne für die Mittelmächte zur Folge, da die Ukraine, das Baltikum und Teile des Kaukasus nun unter der Kontrolle der deutschen Armee standen.

Der Frieden von Brest-Litowsk, der im März 1918 zwischen Russland und den Mittelmächten geschlossen wurde, bedeutete das Ende des Zweifrontenkrieges für Deutschland. Das bolschewistische Regime in Russland benötigte wiederum den Frieden um sich weiter etablieren zu können. Die von Berlin diktierten Friedensbedingungen waren extrem hart: Neben enormen Reparationszahlungen musste Russland die Abtretung von Polen sowie die Verselbständigung des Baltikums, der Ukraine und Finnlands akzeptieren. Weitere Gebiete Russlands, die damals von den Mittelmächten besetzt waren, sollten bis Kriegsende unter deren Kontrolle bleiben.

Auf den ersten Blick bedeutet dies einen neuen Höhepunkt der territorialen Expansion Deutschlands. Der „Diktatfrieden der deutschen Imperialisten“ bot aber auch eine ideale Projektionsfläche für die Bolschewiken um ihren kompromisslosen Friedenswillen zu betonen. Trotz des hohen Preises war der Frieden von Brest-Litowsk ein großer Propagandaerfolg, der den revolutionären Kräften im kriegsmüden Europa neuen Aufschwung verlieh. Die Revolution in Russland wurde zu einem drohenden Beispiel, wohin das Versagen der Eliten führen konnte. So wurde sich auch Kaiser Karl bewusst, dass bei Fortführung der bisherigen Politik Ähnliches in Österreich-Ungarn passieren könnte.

Bibliografie 

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Hildermeier, Manfred: Die Russische Revolution 1905–1920 (4. Auflage), Frankfurt 1995

Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Aktualisierte und erweiterte Studienausgabe, Paderborn/Wien [u.a.] 2009        

Leidinger Hannes/Moritz, Verena: Der Erste Weltkrieg, Wien [u.a.] 2011

Rauchensteiner, Manfried: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914–1918, Wien u. a. 2013

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