Der Kriegseintritt Italiens

Durch den Kriegseintritt Italiens am 23. Mai 1915 eröffnete sich eine neue Front im Süden der Monarchie. Dieser Kriegsschauplatz sollte für die k. u. k. Armee entscheidend werden.

Die Vorgeschichte des Kriegseintritts Italiens zeigt die komplizierten Verflechtungen von nationalistischer Politik und Großmacht-Diplomatie auf. Italien war 1882 den „Dreibund“, ein Bündnis mit den Mittelmächten Deutschland und Österreich-Ungarn, eingegangen. Bei Ausbruch des Krieges 1914 erklärte Italien zunächst seine Neutralität mit dem Verweis auf den Inhalt dieses Bündnisvertrages, der den Apenninenstaat zu keiner Waffenhilfe verpflichtete.

Rom akzeptierte Expansionspläne Österreich-Ungarns am Balkan auf Kosten Serbiens, wollte jedoch seine wohlwollende Haltung abgegolten wissen. Als Kompensation wurde die Abtretung italienischsprachiger Gebiete der Monarchie verlangt, eine alte Forderung der irredentistischen Politik des jungen italienischen Nationalstaates. In erster Linie war die Abtretung der italienischsprachigen Gebiete des südlichen Tirols (Trentino) und einiger Grenzgebiete in Friaul (Gradisca) im Gespräch. Diese Forderungen Italiens fanden Unterstützung in Berlin, wurden aber von Franz Joseph und den Vertretern einer k. u. k. Expansionspolitik abgelehnt: Die Integrität der Habsburgermonarchie zu bewahren war hier als Hauptziel definiert worden, denn der Krieg wurde aus diesem Blickwinkel besehen mit dem langfristigem Ziel der Expansion begonnen, nicht um Besitzungen abzugeben. Der alte Kaiser meinte kategorisch: „Ich ziehe es vor, alles zu verlieren und in Ehren zugrunde zu gehen; lieber das, als daß ich mich auf diesen abscheulichen Räuberhandel einlassen soll!

Das Drängen der deutschen Politik, in dieser Frage den italienischen Forderungen nachzugeben, wurde immer stärker. Man hoffte in Berlin dadurch den drohenden Kriegseintritts Italiens zu verhindern. Auch in der Wiener Außenpolitik erkannte man durchaus die Gefahr. Die völlige Verweigerung eines Entgegenkommens vonseiten Franz Josephs führte sogar zum Rücktritt von Außenminister Berchtold am 11. Januar 1915. Der Starrsinn des alten Kaisers in dieser Frage hatte schließlich den Kriegseintritt Italiens auf der Seite der Gegner der Donaumonarchie zur Folge.

Der Wechsel Italiens auf die Seite der Entente-Mächte wurde von diesen mit weitreichenden territorialen Versprechen auf Kosten Österreich-Ungarns verknüpft. Bei der geplanten Neuordnung Europas nach Kriegsende wurde Italien die Brennergrenze versprochen: Nicht nur das italienischsprachige Trentino, sondern auch die deutschsprachigen Gebiete Südtirols bis zur Wasserscheide am Hauptalpenkamm sollten italienisches Hoheitsgebiet werden. Weiters wurden das österreichische Küstenland an der oberen Adria und Teile der dalmatinischen Küste in Aussicht gestellt. Es handelte sich hierbei um Territorien mit größtenteils nicht-italienischer Bevölkerung, die aber seit langem Bestandteil der Maximalforderungen radikaler italienischer Nationalisten waren.

Das mit dem Kriegseintritt Italiens sich entwickelnde Kampfgeschehen konzentrierte sich an der Südgrenze der Monarchie. Es entspann sich eine Reihe von blutigen Schlachten im Grenzgebiet zwischen Italien und Österreich im Isonzotal und in den Trientiner Dolomiten. Die k. u. k. Armee machte hier ähnliche Erfahrungen mit dem verlustreichen Stellungskrieg wie die deutschen Armeen in Nordfrankreich.

 

Bibliografie 

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Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Aktualisierte und erweiterte Studienausgabe, Paderborn/Wien [u.a.] 2009        

Leidinger Hannes/Moritz, Verena: Der Erste Weltkrieg, Wien [u.a.] 2011

Rauchensteiner, Manfried: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914–1918, Wien u. a. 2013

Zitat:

„Ich ziehe es vor ..." Kaiser Franz Joseph, zitiert nach: Beller, Steven: Franz Joseph. Eine Biographie, Wien 1997, 186

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  • Entwicklung

    Nationale Standpunkte zum Krieg

    Die Habsburgermonarchie als staatlicher Rahmen für die kleineren Nationalitäten Zentraleuropas wurde bis 1914 kaum ernsthaft in Frage gestellt, weder von innen noch von außen. Bei Ausbruch des Krieges betonten die Vertreter der Nationalitäten zunächst ihre Loyalität zu den Kriegszielen der Habsburgermonarchie.