Die letzten Tage der Monarchie

In den letzten Oktobertagen des Jahres 1918 überschlugen sich die Ereignisse. Binnen weniger Tage löste sich die habsburgische Herrschaft in Österreich nach fast 640 Jahren auf.

„Nach wie vor von unwandelbarer Liebe für alle Meine Völker erfüllt, will Ich ihrer freien Entfaltung Meine Person nicht als Hindernis entgegenstellen. Im voraus erkenne Ich die Entscheidung an, die Deutsch-Österreich über seine künftige Staatsform trifft. Das Volk hat durch seine Vertreter die Regierung übernommen. Ich verzichte auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften. Gleichzeitig enthebe Ich die österreichische Regierung ihres Amtes.“

Zitiert nach: Bihl, Wolfdieter: Der Erste Weltkrieg 1914–1918. Chronik – Daten – Fakten, Wien/Köln/Weimar 2010, S. 237

Aus der Verzichtserklärung Kaiser Karls I. vom 11. November 1918

Am 23. Oktober 1918 fuhr die kaiserliche Familie nach Ungarn, wo die Lage noch etwas stabiler war, um sich dort der Loyalität der ungarischen Regierung zu versichern. Man nahm Aufenthalt in Gödöllö, da die Situation in Budapest bereits zu gefährlich war. Am 26. des Monats kehrte das Kaiserpaar jedoch übereilt nach Wien zurück, da Nachrichten vom Zerfall der Armee eintrafen. Als Zeichen dafür, dass das Kaiserpaar nicht aus dem Land flüchten würde, ließ man die Kinder zunächst in Ungarn zurück.

Noch am selben Tag kündigte Kaiser Karl das militärische Bündnis mit Deutschland auf und am 27. Oktober ernannte er eine neue Regierung unter Ministerpräsidenten Heinrich Lammasch. Dieser letzten kaiserlichen Regierung war de facto das Reich abhanden gekommen, denn die neugebildeten Nationalräte übernahmen bereits die lokale Macht, so auch in Deutschösterreich. Nachdem bereits alle anderen nationalen Vertretungen ihre Zugehörigkeit zur Habsburgermonarchie aufgekündigt hatten, sagten sich am 30. Oktober auch die Vertreter Deutschösterreichs los.

In Wien waren also in den Tagen des Umsturzes zwei Regierungen gleichzeitig tätig: Die kaiserliche Regierung unter Lammasch, der nicht mehr viel Spielraum blieb, und die Regierung Deutschösterreichs, eines Staatsgebildes ohne Verfassung und mit noch unbestimmten Grenzen.

Als am 3. November 1918 das offizielle Kriegsende und die darauffolgende Demobilisierung der Truppen bekannt gegeben wurden, war der Zusammenbruch Österreich-Ungarns nicht mehr aufzuhalten. Die kaiserliche Liquidationsregierung unter Lammasch überredete am 11. November 1918 in Schönbrunn Kaiser Karl, eine Verzichtserklärung zu unterzeichnen, da sich der Kaiser weiterhin beharrlich weigerte abzudanken. Damit war die habsburgische Herrschaft endgültig zu Ende.

Karl und Zita verbrachten die letzten Tage der Monarchie in Schloss Schönbrunn, das als letzte Bastion habsburgischer Macht galt. Das Schloss war auch Schauplatz der Verhandlungen für die Machtübergabe. Nach der Unterzeichnung der Verzichtserklärung im sogenannten Blauen Salon verabschiedete sich das Kaiserpaar von den letzten Getreuen. Im Vorhof warteten bereits Automobile. Um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erwecken, verließ die Wagenkolonne das Gelände durch ein Nebentor. 

Bibliografie 

Brook-Shepherd, Gordon: Um Krone und Reich. Die Tragödie des letzten Habsburgerkaisers, Wien 1968

Broucek, Peter: Karl I. (IV.). Der politische Weg des letzten Herrschers der Donaumonarchie, Wien 1997

Gottsmann, Andreas (Hrsg.): Karl I. (IV.), der Erste Weltkrieg und das Ende der Donaumonarchie, Wien 2007

Leidinger, Hannes/Moritz, Verena/Schippler, Bernd: Schwarzbuch der Habsburger. Die unrühmliche Geschichte eines Herrscherhauses (2. Auflage, ungekürzte Taschenbuchausgabe), Innsbruck [u.a.]  2010

Rauchensteiner, Manfried: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914–1918, Wien u. a. 2013

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    Nach dem Krieg

    Mit dem Ersten Weltkrieg ging das „lange 19. Jahrhundert“ zu Ende. An die Stelle der monarchischen Imperien traten neue politische Player. Die k. u. k. Monarchie zerfiel in einzelne Nationalstaaten. Im November 1918 wurde die Republik Deutschösterreich proklamiert, im Oktober 1920 Österreich als Bundesstaat errichtet. Die Jahre nach dem Krieg waren überaus bewegt: Sie changierten in einem Spannungsverhältnis von Aufbruch und Niederlage, zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Errungenschaften und Rückschlägen.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Der Habsburgermythos – Die Dynastie vor und nach 1918

    Die Dynastie Habsburg-Lothringen bildete das ideologische Fundament der Habsburgermonarchie, denn die Existenz des Vielvölkerstaates ist in erster Linie als Produkt der dynastischen Geschichte des Herrscherhauses zu verstehen.