Das Kriegsgeschehen 1917–1918: Im Angesicht des drohenden Unterganges

Es wurde immer offensichtlicher, dass sich Österreich-Ungarn nur dank massiver deutscher Hilfe militärisch behaupten konnte. Dadurch wurde die Donaumonarchie politisch noch stärker an Deutschland gefesselt und hatte immer weniger Entscheidungsfreiheit.

Seit seinem Regierungsantritt war sich Kaiser Karl bewusst, dass der Krieg nicht zu gewinnen war. In einem baldigen Friedensschluss sah er die einzige Chance, den drohenden Untergang der Vielvölkermonarchie abzuwenden. Bald musste er jedoch erkennen, wie klein sein Handlungsspielraum geworden war.

Wien signalisierte seinem deutschen Bündnispartner immer deutlicher die völlige Erschöpfung der Habsburgermonarchie. Sondierungsgespräche, die auf eine rasche Friedenslösung abzielten, scheiterten jedoch an der Weigerung Berlins auf Elsass-Lothringen zu verzichten, was eine Grundforderung der Westmächte war. Aber auch die österreichische Seite war nicht wirklich bereit, Gebietsabtretungen zu akzeptieren, die vor allem den Besitzstand des Habsburgerreiches in Italien, Polen und am Balkan betroffen hätten. Es entwickelte sich eine verwirrende Folge von Geheimverhandlungen und Kriegszielbesprechungen, die von einem ständigen Wechsel von Minimal- zu Maximalvarianten bezüglich territorialer Abtretungen geprägt waren – die Bereitschaft für Zugeständnisse veränderte sich je nach dem aktuellen Kriegsgeschehen.

Ende 1917 befanden sich die Mittelmächte in einer paradoxen Lage. Was die militärische Position im Kriegsverlauf betraf, gelang es, die Frontlinien nicht nur zu halten, sondern zeitweilig sogar territoriale Zugewinne zu erzielen. Den militärischen Erfolgen stand jedoch eine massive Erschöpfung der wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen gegenüber. Die Versorgungslage wurde zunehmend prekär.

Der Ausfall des russischen Kriegspartners nach dem Waffenstillstand von Brest-Litowsk im Dezember 1917 bedeutete einen schweren Schlag für die Entente-Mächte. Auch an der Westfront waren im Winter 1916/17 Rückschläge zu verzeichnen, als sich die deutsche Front gegen die alliierten Großoffensiven behauptete. Die französische Armee stand kurzfristig sogar vor dem Zusammenbruch.

Aber auch die Habsburgermonarchie befand sich zu diesem Zeitpunkt am Rande des moralischen wie materiellen Kollaps. Um den Status quo erhalten zu können, mussten die letzten Reserven aufgebracht werden. Zur Illustration seien hier Zahlen bezüglich der Mannschaftsstärke der k. u. k. Armee für Ende 1917 angeführt: Seit 1914 waren 8,420.000 Mann eingezogen worden, von denen 780.000 gefallen waren. 1,600.000 Mann waren in Kriegsgefangenschaft geraten, 500.000 Mann als invalid und weitere 130.000 Mann aus Altersgründen aus dem Wehrdienst entlassen worden.

Das Hauptaktionsgebiet der österreichischen Armee stellte die Front gegen Italien dar. Das österreichische Oberkommando versuchte sich hier eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber der allmächtigen deutschen Heeresleitung zu erkämpfen, doch durchschlagende Erfolge blieben zunächst aus. Die Kriegsführung im hochalpinen Gelände stellte die Armeeführung vor bisher ungeahnte Probleme. Im Isonzogebiet sowie in den Dolomiten kam es ähnlich wie auf dem französischen Kampfschauplatz zu einem Festfahren der Fronten bei extremen Verlusten auf beiden Seiten.

Im Herbst 1917 gelang der geschwächten k. u. k. Armee ein Durchbruch an der Isonzo-Front bei Flitsch-Tolmein (Bovec-Tolmin im heutigen Slowenien) – auch dank des massiven Einsatzes von Giftgas. Der Vorstoß konnte erst am Ufer des Flusses Piave knapp vor Venedig von den alliierten italienischen und britischen Truppen abgefangen werden. Der überraschende Erfolg der kaiserlichen Armee war ein letztes Aufbäumen, auf das ab Anfang des Jahres 1918 eine rapide Verschlechterung folgte. Die Erschöpfung der militärischen Schlagkraft war nicht mehr zu verheimlichen. Auch im Hinterland war die Situation politisch instabil und die Versorgungslage katastrophal. Spätestens jetzt war auch der österreichischen Armeeführung klar, dass eine Fortsetzung des Krieges sinnlos war.

Bibliografie 

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Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irina (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Aktualisierte und erweiterte Studienausgabe, Paderborn/Wien [u.a.] 2009        

Rauchensteiner, Manfried: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914–1918, Wien u. a. 2013

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