Die enorme Zahl an verwundeten und infektionskranken Soldaten, die der Erste Weltkrieg hervorbrachte, erforderte eine detaillierte Organisation des Sanitätsdienstes an der Front und im Hinterland. Die Bestimmungen der k. u. k. Armee bezüglich der Abwicklung der Verwundetenversorgung wurden im Dienstbuch „Reglement für den Sanitätsdienst des k. u. k. Heeres“ festgelegt.
Die k. u. k. Armee verfügte über mobile und ambulante Feldsanitätsanstalten, etwa Sanitätszüge oder Krankenschiffe, sowie über stabile Sanitätsanstalten an der Front und im Hinterland. Hinzu kamen die Anstalten für den Sanitätsmaterialersatz sowie die Infrastruktur freiwilliger Sanitätsorganisationen, wie des Deutschen Ordens, Malteserordens und Roten Kreuzes. Diese hatten eigene Feldsanitätskolonnen, Verwundetentransporte sowie Feldspitäler, eine Seeambulanz und mobile Materialdepots aufzuweisen.
Um die Erstversorgung von Verwundeten noch auf dem Kampfschauplatz gewährleisten zu können, hatte sich das Sanitätspersonal in der Nähe der Truppe aufzuhalten. Auf den direkt hinter den Truppen improvisierten Hilfsplätzen wurden die Verwundeten mit (Kompressions-)Verbänden versorgt und wenn nötig sofort operiert. Das Zentrum des Sanitätsdienstes im Felde bildeten die Verbandplätze der Divisionssanitätsanstalten. Dort wurden Operations- und Verbinderäume eingerichtet, wo Schwerverwundete erstversorgt und für den Transport in ein Feldspital oder Feldmarodenhaus vorbereitet werden konnten. Zu Kriegsbeginn standen der k. u. k. Armee ca. 160 Feldspitäler für jeweils 200 Kranke, 104 mobile Reservespitäler zur Versorgung von je 200 Schwerverletzten und 47 Feldmarodenhäuser zur Behandlung von je 500 leicht Verwundeten zur Verfügung. 1917 kam es zur Auflassung der mobilen Reservespitäler und Feldmarodenhäuser, die in Feldspitäler umgewandelt wurden.
Zahlreiche dem Armee-Etappenkommando vorgelegte Beschwerden dokumentieren die inhumane und unzureichende Versorgung in den Spitälern.
Die Überforderung des Pflegepersonals durch die Vielzahl von Verwundeten, die in den Feldspitälern eintrafen, wird in einem Bericht des Oberleutnants Biedermann deutlich:
„Wir kamen an einer ländlichen Ziegelei vorüber, die zu einem Spital umgewandelt worden war. Divisionssanitätsanstalt, Regimentshilfsplatz und Bataillonsverbandplatz zugleich […] Soldaten der Sanitätsgruppe, Bandagenträger der Infanterie, Mediziner von vier Regimentern, Assistenzärzte, Oberärzte, Regimentsärzte, Stabsärzte – alles wimmelte durcheinander, es gab keinen Überblick. Einjährig-Freiwillige Mediziner des 2. Semesters knüpften die Enden zerrissener Stirnadern aneinander, vernähten die gefährlichsten Wunden, der Oberstabsarzt verband Streifschüsse, die Doktoren hatten nicht einmal Schürzen über ihrer Uniform.“
Da die Aufnahmekapazität der Feldspitäler begrenzt war, mussten die Verwundeten schnell in ein Spital in der Etappe oder im Hinterland überstellt werden. Der Transport verletzter bzw. kranker Soldaten erfolgte in sogenannten Krankenzügen oder Krankenschiffen. Die Organisation des ‚Abschubs’ gestaltete sich angesichts der begrenzten Transportmittel als besonders problematisch, weshalb das zuständige Sanitätspersonal zur Improvisation gezwungen war. Nur Schwerverwundete hatten die Erlaubnis, ins Hinterland abtransportiert zu werden. Soldaten mit leichten Verletzungen wurden in Heilanstalten des Etappenraums behandelt und nach ihrer Genesung wieder an die Front geschickt. Viele Soldaten, die aus ärztlicher Sicht als frontdienstuntauglich galten, konnten jedoch nicht gesunden, da sie sich nach 24-stündiger Ruhepause in einer Sanitätsanstalt wieder ihrem Truppenkörper anschließen mussten.
Biwald, Brigitte: Von Helden und Krüppeln. Das österreichisch-ungarische Militärsanitätswesen im Ersten Weltkrieg. Teil 1, Wien 2002
Breitner, Burghard: Ärzte und ihre Helfer im Weltkriege 1914-1918 (Helden im weissen Kittel). Apotheker im Weltkriege, Wien 1936
Zitate:
„Wir kamen an einer ländlichen Ziegelei …“: Bericht des Oberleutnants Biedermann, KA, Nachlass Biedermann B/608, 122; zitiert nach: Biwald, Brigitte: Von Helden und Krüppeln. Das österreichisch-ungarische Militärsanitätswesen im Ersten Weltkrieg. Teil 1, Wien 2002, 58
„ …die Doktoren hatten nicht einmal …“: Bericht des Oberleutnants Biedermann, KA, Nachlass Biedermann B/608, 122; zitiert nach: Biwald, Brigitte: Von Helden und Krüppeln. Das österreichisch-ungarische Militärsanitätswesen im Ersten Weltkrieg. Teil 1, Wien 2002, 58
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Kapitel
- Der Krieg als Laboratorium
- Medizin als Waffe
- „ …die Doktoren hatten nicht einmal Schürzen über ihrer Uniform.“
- Von Waffen und Wunden
- ‚Der innere Feind’
- Im Kampf gegen den ‚inneren Feind’
- Die Spanische Grippe von 1918
- Vom Zucken, Zittern und Torkeln
- Zwischen Hysterie und Neurasthenie
- Nervenversager oder Simulanten?