Im Kampf gegen den ‚inneren Feind’

Vorbeugung und Behandlung von Kriegsseuchen innerhalb der österreichisch-ungarischen Armee

Obwohl man die von Kriegsseuchen ausgehende Gefahr kannte, war die österreichisch-ungarische Armee zu Kriegsbeginn nur ungenügend gegen die klassischen Seuchen wie Typhus, Cholera, Ruhr, Fleckfieber, Blattern oder Malaria gewappnet.


 

Um der Ausbreitung der Kriegsseuchen innerhalb des Militärs und der Zivilbevölkerung entgegenzuwirken, wurden die Militärärzte dazu verpflichtet, dem vorstehenden Kommando sowie der zuständigen politischen Behörde jeden einzelnen Krankheitsfall zu melden. An der Grenze zur Etappe wurden eigene Quarantäne- und Beobachtungsstationen eingerichtet, mittels derer die Ausdehnung der Seuchen ins Hinterland verhindert werden sollte. Dampfdesinfektoren, Trinkwasseraufbereiter, Desinfektionskolonnen und Heißluftkammern – um nur einige wenige Beispiele zu nennen – gelangten im Rahmen der Seuchenbekämpfung zum Einsatz. Waschmaschinen wurden angekauft, Bade- und Reinigungsanlagen errichtet und die Hygiene in den Schützengräben und Kasernen kontrolliert. Sogar Postkarten und Pakete mussten vor Verlassen der Sanitätsanstalt desinfiziert werden.

Trotz aller getroffenen Maßnahmen gab es bei der Vorbeugung und Bekämpfung der Kriegsseuchen immer wieder große Schwierigkeiten. Die Zivilbevölkerung wurde nur ungenügend über den Gesundheitszustand der Truppen informiert. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Militär- und Zivilbehörden gestaltete sich oftmals sehr problematisch. Hinzu kam, dass die k. u. k. Armee zu Beginn des Krieges keine Epidemiespitäler mitführte, weshalb die an einer Infektionskrankheit leidenden Soldaten in provisorischen Epidemiestationen versorgt werden mussten. Diese waren nur unzureichend ausgestattet. Es mangelte an serotherapeutischen Präparaten, Mikroskopen, Desinfektionsmitteln sowie an ausgebildetem Pflegepersonal.

1915 wurden schließlich eigene Epidemiespitäler errichtet. Die zuständigen Ärzte waren jedoch weder mit der Diagnostik noch mit der Behandlung von Kriegsseuchen vertraut, weshalb es immer wieder zu Fehldiagnosen und falschen Behandlungsplänen kam. In der Schilderung des Leutnants Karl Fanta wird die Überforderung der zuständigen Ärzte deutlich: „Ruhr- und Typhuskranke lagen durcheinander und die Ärzte wussten sich nicht mehr zu helfen.“

Die zur Vorbeugung von Infektionskrankheiten empfohlenen Schutzimpfungen gelangten erst nach und nach zum Einsatz. Die Impfung der Truppen gegen Dysenterie bzw. Ruhr, eine schwerwiegende Darmerkrankung, die sich vor allem in Südungarn, Serbien, Bosnien, aber auch Galizien und Russland weit verbreitete, wurde erst im zweiten Kriegsjahr durchgeführt. Bis dahin waren bereits 120.000 Soldaten an Ruhr erkrankt, 5.000 davon tödlich. Auch im Falle der Choleraimpfung verhielt sich das Kriegsministerium zunächst zurückhaltend und verhinderte die Ausgabe des Impfstoffes mit dem Argument, dass dadurch die Kampfkraft der Armee gefährdet sei. In den ersten drei Kriegsjahren starben insgesamt 16.266 Soldaten an Cholera, die hauptsächlich in Galizien, Russisch-Polen, aber auch in Bosnien-Herzegowina auftrat. Nach der Zulassung des Impfstoffes durch das Ministerium verringerte sich die Sterblichkeitsrate erheblich.

Auch die Typhus-Impfung wurde vom Generalstabschef zunächst verboten, da sie mit schweren Reaktionen verbunden war und die Geimpften unter ärztliche Beobachtung gestellt werden mussten. Zu Beginn des zweiten Kriegsjahres wurde die Impfung für die Armee zugelassen, sie erfreute sich bei den Mannschaften jedoch nur geringer Beliebtheit. Die Bekämpfung der Pocken bzw. Blattern, die hauptsächlich an der Ost- bzw. Nordostfront auftraten, war aufgrund der gezielten Impfungen der Truppen relativ erfolgreich. Auch Fleckfieber, als dessen Überträgerin die Kleiderlaus identifiziert wurde und von dem vor allem die serbische Armee sowie die österreichischen Gefangenen betroffen waren, konnte mittels gezielter Entlausungsaktionen schließlich eingedämmt werden.

 

Bibliografie 

Biwald, Brigitte: Von Helden und Krüppeln. Das österreichisch-ungarische Militärsanitätswesen im Ersten Weltkrieg. Teil 2, Wien 2002

Dietrich, Elisabeth: Der andere Tod. Seuchen, Volkskrankheiten und Gesundheitswesen im Ersten Weltkrieg, in: Eisterer, Klaus/Steininger, Rolf (Hrsg.): Tirol und der Erste Weltkrieg, Innsbruck 2011, 255-275

 

Zitate:

„Ruhr- und Typhuskranke lagen durcheinander …“: Aufzeichnungen Leutnant Karl Fanta, 122. Besitz von Dr. Karl Fanta, zitiert nach: Biwald, Brigitte: Von Helden und Krüppeln. Das österreichisch-ungarische Militärsanitätswesen im Ersten Weltkrieg. Teil 2, Wien 2002, 541