„Neue Männerrasse“? – Männlichkeitsideologien im Nachkriegsösterreich
Im Nachkriegsösterreich wurde militärische Männlichkeit zu einer umkämpften Ressource. Nach dem Untergang der Donaumonarchie strömten die meisten Berufsoffiziere nach Wien, wo sie ihre überwiegend antirepublikanische Haltung demonstrierten und den Weiterbestand einer militärischen Formation anstrebten. Nach der Niederlage fühlten sie sich in ihrer Ehre gekränkt, zumal die Gesellschaft mit einer öffentlichen ‚Kastration‘ der Männlichkeit reagierte.
Den Prestigeverlust versuchten die entmachteten Offiziere durch die Flucht in eine idealisierte habsburgische Vergangenheit oder durch die aktive Teilnahme an der deutschnationalen Bewegung zu kompensieren. In zahlreichen rückwärtsgewandten Kriegsnarrationen, die ein ideologisches Produkt der stark politisierten und militarisierten Kultur der frühen 1930er Jahre sind, avanciert der k. u. k. Soldat, und insbesondere Offizier, zu einer wichtigen Gedächtnisfigur. Die Männlichkeit der Krieger, allen voran der perfekten deutsch-österreichischen Kämpfer, wird lobend erinnert und revitalisiert. In der Ersten Republik wird das Bild allerdings nicht nur von „Helden“ geprägt, sondern auch die Opfer des Krieges versuchen auf ihre Rechte zu pochen. Neben groß angelegten Kundgebungen nationaler und konservativer Kräfte werden Krüppelparaden und pazifistische Veranstaltungen organisiert.
Die Kriegserinnerungsbücher und fiktive Narrationen von Autoren aus dem konservativen Lager liefern dabei wichtige Argumente im Kampf um die Erinnerung und verstehen sich als ein Beitrag zu einer Politik der Remaskulinisierung. Die Versuche, eine heroisch-emotionale Männlichkeit zu revitalisieren, lassen sich als Reaktion auf eine Krise militärischer Männlichkeit und der österreichischen Identität interpretieren. Fritz Weber, Luis Trenker, Alexander Lernet-Holenia, Bodo Kaltenboeck, Karl Paumgartten u.a. restaurieren den habsburgischen Militärhabitus in verschiedenen Varianten – als zäher Dolomitenkämpfer, Tiroler Kaiserjäger, kühn-ritterlicher Kavallerist, disziplinierter deutschösterreichischer Offizier, aggressiver Draufgänger. Und sie spielen ihn gegen zivile Männlichkeiten bzw. neurasthenische Biographien der Großstädter aus. Sie glorifizieren Kriegskameradschaft und transportieren Konzepte einer „neuen Männerrasse“ (Fritz Weber), preisen eine Männerfreundschaft, die auf der Liebe zu den Bergen basiert und inszenieren das Bedürfnis nach einem homosozialen Netz von Kriegsveteranen oder dem Anschluss an deutsch-nationale Verbände und Bewegungen. Auf diese Weise reagieren sie auf die Gefährdung der männlich-soldatischen Identität durch Verkennen und Vergessen und durch den urbanen Habitus der ungeordneten Massengesellschaft. Offensichtlich gibt es unterschiedliche, in nationalen, regionalen und politischen Kontexten verwurzelte Versuche, militärische Männlichkeit zu modifizieren bzw. neue politische Männlichkeitskonzepte zu etablieren.
Amman, Klaus: Der Anschluss österreichischer Schriftsteller an das Dritte Reich. Institutionelle und bewusstseinsgeschichtliche Aspekte, Frankfurt am Main 1998
Hanisch, Ernst: Die Rückkehr des Kriegers. Männlichkeitsbilder und Remilitarisierung im Österreich der Zwischenkriegszeit, in: Transit. Europäische Revue 16 (1989/99), 108-124
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Kapitel
- Träumer, die zu Helden werden
- „Eisfrontkämpfer“ – der Alpenkrieg als männliches Kräftemessen
- Der Krieg als „technoromantisches Abenteuer“
- Männlichkeiten – Hierarchien, Rivalitäten, Konkurrenzen
- Uniformierte Melancholiker – Problematisierung von Männlichkeit
- „Schwarze Verwesung“ – Soldaten als Opfer
- „Flucht ohne Ende“? – Heimkehr des Kriegers
- „Neue Männerrasse“? – Männlichkeitsideologien im Nachkriegsösterreich