Alle kriegführenden Staaten zielten mit intensiver Propaganda darauf ab, Kinder und Jugendliche in die Auseinandersetzungen mit einzubeziehen. Träger dieser Mobilisierung waren Eltern, Schulen und Vereine ebenso wie Bücher, Lieder und Spiele. Ziel der Ideologisierung war es, einen ‚gerechten Krieg’ zu vermitteln, Begeisterung in den Kindern zu wecken und sie für kriegsunterstützende Arbeiten zu gewinnen.


 

Während des Ersten Weltkriegs versuchten die beteiligten Länder auch Frauen und Kinder für den Krieg zu gewinnen. Neben den eigentlichen Kampfschauplätzen sollte auch das Hinterland, die sogenannte „Heimatfront“, zur Erreichung der Kriegsziele beitragen. Kinder waren von dieser Mobilmachung keinesfalls ausgenommen und wurden zur Zielscheibe der Propaganda.

Die Gründe für die intensive Infiltrierung waren vielschichtig. Zum einen waren die Behörden bestrebt, Kinder und Jugendliche aktiv für die direkte Kriegsunterstützung zu gewinnen und sie als Arbeitskräfte zu nutzen. Zum anderen wurden Kinder als Multiplikatoren der Propaganda eingesetzt. Behörden spekulierten mit dem großen Einfluss, den sie auf die Eltern ausübten, wie aus einem Aktenvermerk des Ministeriums für Kultus und Unterricht hervorgeht: „Die Schuljugend werde über die Bedeutung der Aktion aufgeklärt und angeeifert, ihre Unterstützung des Elternhauses zu gewinnen. Begeisterungsfähig wird sich die Jugend dieser Aufgabe mit Eifer und nicht ohne Erfolg widmen, wenn man in Rücksicht zieht, wie empfänglich die Eltern für die Bitten ihrer Kinder sind.“
Über die Kinder konnten Normen, Werte und politisch gefärbte Wissensbestände an die Eltern und Familien vermittelt werden.

Daneben gab es einen weiteren Grund für ihre intensive Mobilisierung: In Österreich-Ungarn, Großbritannien, Deutschland und in Frankreich wurde der Krieg ideologisch als Wettstreit zwischen den Zivilisationen gesehen. Dabei spielten die Kinder als zukünftige Generation eine entscheidende Rolle. Eltern, LehrerInnen und IdeologInnen schienen davon überzeugt, dass der Krieg eine erzieherische Wirkung auf den Nachwuchs habe. Die Kindergeneration sollte als Elite – arbeitsamer, ernsthafter und patriotischer als die vorangegangene Altersgruppe – aus den Auseinandersetzungen hervorgehen.

In den Botschaften, die LehrerInnen, Eltern und andere Autoritäten transportierten, spielten Pflichterfüllung, Disziplin und Gehorsam eine zentrale Rolle. Diese Eigenschaften sollte die Schuljugend unter Beweis stellen, indem sie Arbeit für unterschiedliche patriotische Initiativen leistete. Zu ihrer tatkräftigen Unterstützung sollte auch beitragen, dass man den Krieg als österreichisch-ungarischen und deutschen Verteidigungskrieg darstellte. Dieses Argument wurde durch den ‚Verrat durch Italien‘ verstärkt. Propagandistisch ausgenutzt wurden zudem der Mangel und die Versorgungskrise – beides sollte von den feindlichen Staaten verursacht sein (und nicht aus eigenen wirtschaftlichen Planungsfehlern resultieren). Insbesondere mit dem Schreckgespenst der „Lebensmittel- und Güterblockade“ wollte man solche Ängste schüren.

Kinder sollten ihren jeweiligen Anteil zum ‚Gelingen des Krieges‘ beitragen. Sieg oder Niederlage seien von ihrer ‚Kriegsleistung hinter der Front‘ genauso abhängig wie die Verteidigung der Heimat. Sei es durch Vaterlandsliebe und besonders sittliches Verhalten, durch Gebete für die Soldaten und direkte Kriegsarbeit – es sei die Pflicht der Kinder, ihre Brüder und Väter an der Front zu unterstützen: „Das kann euch doch nicht schwer fallen! Bedenkt, wie große Opfer bringen nicht eure Väter und Brüder, welche unfassbare Mühen und Entbehrungen auf sich nehmen, ja selbst ihr Leben fürs Vaterland einsetzen.“

Bibliografie 

Audoin-Rouzeau, Stephane: Die mobilisierten Kinder: Erziehung zum Krieg an französischen Schulen, in: Hirschfeld, Gerhard /Krumeich, Gerd /Renz, Irina (Hrsg.), „Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch…“. Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Essen 1993, 151-174

Demm, Eberhard: Deutschlands Kinder im Ersten Weltkrieg. Zwischen Propaganda und Sozialfürsorge, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift (2001), 60, 51-79

Hämmerle, Christa (Hrsg.): Kindheit im Ersten Weltkrieg, Wien/Köln/Weimar 1993

Zitate:

„Das kann euch doch nicht schwer fallen!...“: Verordnungsblatt für das Volksschulwesen in der Grafschaft Mähren, redigiert im k.k. Landesschulrat, ausgegeben am 15. Jänner 1917, Nr. 1, zitiert nach: Hämmerle, Christa (Hrsg.): Kindheit im Ersten Weltkrieg, Wien/Köln/Weimar 1993, 295

„Die Schuljugend werde über die Bedeutung…“: Verordnungsblatt für das Volksschulwesen in der Grafschaft Mähren, redigiert im k.k. Landesschulrat, ausgegeben am 15. Jänner 1917, Nr. 1, zitiert nach: Hämmerle, Christa (Hrsg.): Kindheit im Ersten Weltkrieg, Wien/Köln/Weimar 1993, 307

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Überwachung & Kontrolle

    Der Alltag in der Habsburgermonarchie war von Propaganda, Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet. Die vielen „weißen“ Flecken in den Tageszeitungen zeugen davon ebenso wie Eingriffe in private Briefe und Telegramme. Gleichzeitig wurde durch Bild, Text und Ton versucht, ein einheitliches und kriegsbejahendes Stimmungsbild zu verbreiten. Ausgeschlossen davon waren nicht einmal die jüngsten Bewohner des Reiches; auch die Schulen der Monarchie wurden zu Orten der staatlichen Einflussnahme.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Krieg als Lösung?

    Besonders intellektuelle Kreise, Schriftsteller, Künstler, Akademiker, Philosophen, Wissenschaftler usw. versprachen sich vom Krieg die Lösung vieler Probleme, mit denen die Monarchie zu kämpfen hatte. Sie betrachteten den Waffengang als Katharsis, als reinigende Kraft, als eine Chance zur Flucht aus einer geächteten und überdrüssig gewordenen Vorkriegswelt mit ihren scheinbar unlösbaren sozialen und nationalen Konflikten.