Die Schule stellte während des Ersten Weltkrieges eine zentrale Mobilisierungsinstanz dar. Bereits ab dem Sommer 1914 wurde das Kriegsthema intensiv in den Schulunterricht integriert, zahlreiche PädagogInnen, LehrerInnen und ErzieherInnen stellten sich in den Dienst der Kriegspropaganda.
Die Militarisierung und Indoktrinierung der Schulkinder konnte auf Vorläufer im ausgehenden 19. Jahrhundert bauen. Seitdem durchdrangen militärische Verhaltensnormen nach und nach viele Lebensbereiche. Am Militär orientierte Umgangsformen und Erziehungsmethoden prägten die pädagogischen Konzepte, und viele Lehrer unterrichteten in einem militärischen Kommandoton.
Mit Kriegsausbruch arbeiteten die Schulen auf eine umfassende Integration der Kinder in die Kriegskultur hin. Das aktuelle Kriegsgeschehen wurde zu einem wichtigen Bezugspunkt des Unterrichts. Die meisten Lehrer und Lehrerinnen sahen sich dabei als Agenten der Kriegspropaganda, weshalb in den Schulen generell eine kriegsbefürwortende und patriotische Stimmung herrschte.
Der Unterricht sollte die Kriegsbegeisterung der Kinder ständig schüren und durch emotionalisierende Vermittlungstechniken ihre Identifikation mit den Kriegszielen fördern. Bücher, patriotische Lieder und andere Unterrichtsmaterialien unterstützten die PädagogInnen darin, den Krieg in möglichst vielfältiger Weise in die Unterrichtsfächer zu integrieren. Die Kinder wurden aufgefordert, sich in Aufsätzen, Gedichten und Zeichnungen kreativ mit dem Krieg auseinanderzusetzen. Weit verbreitet waren sogenannte „Kriegsstunden“ – Unterrichtseinheiten, in denen man die aktuelle Kriegslage propagandistisch aufbereitete. In diesen Stunden wurden völkische Lieder gesungen, der aktuelle Kriegsverlauf erklärt, auf Kriegskarten wurden Frontlinien abgesteckt und Schlachtenverläufe nachgezogen. Gemeinsam gedachten die Schulklassen dabei auch der gefallenen Helden und beteten für die Truppen an der Front.
Anfänglich wurde der Krieg in den Schulen vielfach romantisiert. Angesichts der massiven Propaganda nahmen ihn Kinder und Jugendliche wenig differenziert wahr und waren insbesondere in den ersten Kriegsmonaten von einer allgemeinen Begeisterung erfasst. Doch je stärker spürbar die Folgen im Alltag wurden, umso stärker flaute die anfängliche Euphorie ab. Unterrichtsausfälle häuften sich, Lehrer wurden eingezogen und SchülerInnen litten an psychischer und physischer Erschöpfung. Der Gesundheitszustand der Kinder verschlechterte sich aufgrund des Nahrungsmittelmangels und ihr Leistungsniveau fiel deutlich ab. Anstelle des zu Kriegsbeginn euphorisch begangenen ‚Siegfrei‘ fanden nun Trauerfeiern für gefallene Lehrer und getötete Schüler statt. Aus den Aufsätzen und Zeichnungen der Kinder verschwand der heroische Glanz, stattdessen thematisierten sie nun in ihren Schularbeiten den Schrecken des Krieges, die Abwesenheit der Brüder und Väter und die Gegenwart des Todes.
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