Der Erste Weltkrieg in Kinder- und Jugendbüchern

Eine besondere Form, Kinder mit dem Kriegsgeschehen zu konfrontieren, stellten Kriegskinderbücher dar. Sie sollten Kinder und Jugendliche sowie ihre Eltern von einer bestimmten Interpretation des Kriegsgeschehens überzeugen. Die heroische Darstellung des ‚Eigenen’ und ‚Fremden’ machte deutlich, wie Kinder und Erwachsene den Krieg wahrnehmen sollten.


 

Zu Kriegsbeginn war das Interesse an Kinderbüchern zum Kriegsthema und ihrer erzieherischen Funktion besonders groß. Neue Werke kamen auf den Markt und die Verleger beeilten sich, Kriegsversionen beliebter Klassiker aufzulegen. Diese Publikationen sollten Kinder von den vorgeblichen Ursachen und Zielen des Kriegs überzeugen. Vor allem die bebilderten Exemplare waren geprägt von nationalen Stereotypen und sollten Kinder mit ‚den guten Mittelmächten‘ vertraut machen und zugleich die gegnerischen Nationen stigmatisieren. In Geschichten verpackt wurden propagandistische Botschaften in emotionalisierten Bildern transportiert.

Beispielgebend dafür ist der 1915 erschienene „Kriegs-Struwwelpeter“, eine Neuauflage des zu jener Zeit sehr beliebten Kinderbuches. Bereits 1914 war in Großbritannien eine englische Fassung des Struwwelpeters erschienen. In der Ausgabe von Karl Ewald Olszewski wurden kriegerische Sujets eingebaut und die Figuren nach dem aktuellen Kriegsgeschehen modifiziert: Der Struwwelpeter mutierte zum garstigen Bombenpeter, eine Imitation König Peter I von Serbien, der Suppenkasper wurde von Blockaden-John abgelöst, der italienische Zappel-Pepo saß mit Vater Deutschland und Mutter Österreich am Tisch und fiel um (ein Verweis auf den Verrat durch Italien) und John Guck-in-die-Luft stürzte in die Dardanellen.

In „Die Geschichte von den schwarzen Buben“ wurde der „brave Michl“ von drei „bösen Buben“ geärgert. Diese verkörperten alliierte Politiker und wurden in den Abbildungen mit stigmatisierenden Gegenständen gezeigt: Zar Nikolas hielt eine Wodkaflasche, der französische Staatspräsident Raymond Poincaré trug eine Revanche-Brezel und der englische Außenminister Sir Edward Grey winkte mit einer Fahne mit der Aufschrift „Neid“. Die Verse erzählten davon, dass die neiderfüllten Jungen dem braven Michel seinen Garten wegnehmen wollten. Da schritt Kaiser Wilhelm II. ein und steckte sie in ein Tintenfass. Damit folgte die Geschichte einem typischen Propagandatopos: dem angeblichen Überfall der Alliierten auf die Mittelmächte.

In der Kriegsfassung des Struwwelpeters verkörperten die Feindstaaten die schlimmen Kinder, während Österreich und Deutschland die Eltern ersezten und als positive Autoritäten auftraten. Die gegnerischen Staaten wurden nicht nur als hinterhältig, verbrecherisch und gemein dargestellt, sondern auch als deutlich unterlegen. Die Botschaft an die jungen LeserInnen war eindeutig: Österreich und Deutschland werden den Krieg gewinnen, die boshaften und unterlegenen Feinde würden ihre gerechte Strafe erhalten.

Auch andere Kinder- und Jugendbücher berichteten meist in heroischem Tonfall vom Kriegsgeschehen, von erfolgreichen Kampfhandlungen an der Front und dem Heldenmut jugendlicher Freiwilliger. Zumeist fiktive Erlebnisberichte schürten die Kriegsbegeisterung und vermittelten insbesondere den Buben tapfere Idole. Erzählt wurde von jugendlichen Soldaten, die sich heldenhaft für das Vaterland opferten, der elterlichen Autorität entkamen und im Felde Abenteuer erlebten.

Mit Fortlauf des Krieges rückten die Erzählungen zunehmend an die realen Erlebnisse der Leserschaft heran, griffen neue Themen (Kriegsgefangene, Rationierung, etc.) auf und verloren an Überzeugungskraft. Was die Kriegspublikationen allerdings über die Jahre verband, waren die nachdrücklich propagierten Ideale der Entbehrung und Pflichterfüllung und der Appell an den aufopfernden Patriotismus der heranwachsenden Generation.

 

Bibliografie 

Demm, Eberhard: Deutschlands Kinder im Ersten Weltkrieg. Zwischen Propaganda und Sozialfürsorge, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift (2001), 60, 51-79

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Überwachung & Kontrolle

    Der Alltag in der Habsburgermonarchie war von Propaganda, Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet. Die vielen „weißen“ Flecken in den Tageszeitungen zeugen davon ebenso wie Eingriffe in private Briefe und Telegramme. Gleichzeitig wurde durch Bild, Text und Ton versucht, ein einheitliches und kriegsbejahendes Stimmungsbild zu verbreiten. Ausgeschlossen davon waren nicht einmal die jüngsten Bewohner des Reiches; auch die Schulen der Monarchie wurden zu Orten der staatlichen Einflussnahme.