Die Kriegsverbrechen der k. u. k. Armee. Zwischen Soldateska und Standgericht

Die k. u. k. Armee verfolgte – getrieben von Ressentiments und Spionageverdacht – Teile der eigenen Bevölkerung als „inneren Feind“. Aber auch bei der militärischen Invasion fielen abertausende Zivilisten den Gewalttaten der Soldaten zum Opfer. Neben den Kriegsverbrechen der marodierenden Soldaten zeichnete sich auch die habsburgische Militärjustiz durch eine unrühmliche ‚Effizienz‘ aus.

Auch vonseiten der k. u. k. Armee gab es massive Ressentiments gegen die ethnisch-religiösen Minderheiten im eigenen Staat sowie gegen die Zivilisten der besetzten Gebiete. Dies führte zu einem übersteigerten Misstrauen gegenüber manchen Bevölkerungsgruppen, die seit Kriegsbeginn unter dem Generalverdacht der Unzuverlässigkeit, Spionage und Feindkollaboration standen. Die Gewaltaktionen der k. u. k. Armee richteten sich dabei besonders gegen die jüdische, polnische und ruthenische Bevölkerung in der Bukowina, in Galizien und in den besetzten russischen Gebieten, sowie gegen die serbische, montenegrinische und bosnische Bevölkerung in den eroberten Gebieten am Balkan. Die Ausschreitungen wurden, so der Historiker Anton Holzer, "[...] von höchster Stelle angeordnet und geplant. Dazu gehörten etwa Geiselnahmen und Geiselerschießungen, Zwangsdeportationen, Internierungen und Zwangsarbeit - und […] Massenhinrichtungen. Die gewaltsame Politik des Militärs wurde von weiteren, teils geduldeten, teils straflos gestellten Gewaltexzessen begleitet: Vergewaltigungen, Plünderungen, willkürliche Tötungen und Zerstörungen von Häusern.

Ein österreichischer Soldat, der im August 1914 in die serbische Stadt Šabac einmarschierte, beschreibt die Anordnung folgendermaßen: "Wir erhielten den Befehl, und dieser wurde uns laut vorgelesen, alles zu töten und niederzubrennen, was uns im Laufe dieser Kampagne über den Weg läuft, und alles was serbisch ist, zu zerstören." Während des Massakers von Šabac wurde mehrere Tage lang geplündert und gebrandschatzt, die Bevölkerung interniert, gedemütigt, misshandelt, vergewaltigt und willkürlich ermordet. Im Zuge dieser Gräueltaten – die insgesamt etwa 200 Zivilisten das Leben kostete – kam es auch zu einer Massenerschießung: Am 17. August 1914 wurden Dorfbewohner am Kirchenplatz zusammengetrieben, etwa 80 von ihnen auf Befehl erschossen und anschließend in einem Massengrab verscharrt.

Neben den Soldaten spielte auch die österreichisch-ungarische Militärjustiz eine unrühmliche Rolle bei Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung. Die habsburgischen Standgerichte erließen massenhaft Todesurteile. Auch wenn sich das quantitative Ausmaß der Hinrichtungen heute nur noch schwer rekonstruieren lässt, so kann doch davon ausgegangen werden, dass die Zahl der Todesopfer in die Tausende geht. Nach verschiedenen Quellen wurden bereits innerhalb der ersten Kriegsmonate zwischen 11.400 bis 36.000 Zivilisten zum Tod am Galgen verurteilt. Um die zahlreichen Todesurteile vollstrecken zu können, mussten die Behörden bereits 1914 zusätzliche Henker anwerben und ausbilden. Oft bedurfte es keines besonderen Anlasses, um die Militärjustiz in Gang zu setzen: Eine unbedachte Äußerung, ein fadenscheiniger Verdacht oder der Hinweis eines Denunzianten waren meist völlig ausreichend, um als unschuldiger Zivilist am Galgen zu enden. Darüber hinaus gab es neben den Standgerichten zusehends ‚wilde‘ Hinrichtungen. Deren Urteile wurden nur noch vom jeweiligen Kommandanten gefällt.

Die Militärjustiz liquidierte ihre Opfer vorzugsweise mithilfe des Galgens auf den zentralen Plätzen der Dörfer und Städte und zwang die Bevölkerung, den Hinrichtungen beizuwohnen. Die leblosen Körper ließ man anschließend mehrere Tage am Strick hängen, um so vor Augen zu führen, wie die österreichisch-ungarische Armee mit „Spionen“ und „Verrätern“ verfuhr.

Bibliografie 

Holzer, Anton: Das Lächeln der Henker. Der unbekannte Krieg gegen die Zivilbevölkerung 1914-1918, Darmstadt 2008

Überegger, Oswald: „Verbrannte Erde“ und „baumelnde Gehenkte“. Zur europäischen Dimension militärischer Normübertretungen im Ersten Weltkrieg, in: Neitzel, Sönke/Hohrath, Daniel (Hrsg.): Kriegsgreuel. Die Entgrenzung der Gewalt in kriegerischen Konflikten vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Paderborn/München/Wien/et al. 2008, 241-278

 

Zitate:

"[…] von höchster Stelle angeordnet...": Holzer, Anton: Das Lächeln der Henker. Der unbekannte Krieg gegen die Zivilbevölkerung 1914-1918, Darmstadt 2008, 12

"Wir erhielten den Befehl...": Soldat (Anonym) des 26. Regt., zitiert nach: ebd., 118

 

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    Gewalt im Krieg

    Gewalt war im Ersten Weltkrieg ein gesellschaftlich umfassendes Phänomen. Soldaten, Zivilisten, Frauen, Männer, Kinder und Greise waren auf die eine oder andere Weise mit ihr konfrontiert. Wie man Gewalt erlebte war unterschiedlich: Sie wurde ausgeübt und erlitten, sie war von physischer und psychischer Prägung, sie fand auf struktureller wie individueller Ebene statt, man erfuhr sie direkt oder indirekt.

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Gewalterfahrungen

    Während manche der Frontsoldaten das „Stahlbad des Waffenganges“ als Apotheose ihrer eigenen Männlichkeit erfuhren, litt die Mehrheit der Soldaten an ihren körperlichen und/oder psychischen Verletzungen. Die Zerstörungskraft des modernen Maschinenkriegs und die psychischen Belastungen durch das tagelange Ausharren in den Schützengräben, der Lärm des Trommelfeuers und der Anblick schwer verwundeter oder verstümmelter Kameraden produzierte neben physischen „Kriegsversehrten“ auch massenhaft psychische „Kriegsneurotiker“.

  • Objekt

    Flucht und Deportation

    Millionen von Menschen flohen während des Krieges vor den Kampfhandlungen und den marodierenden Soldaten. Besonders dramatisch erwies sich die Situation in den ethnisch heterogen zusammengesetzten Gebieten der Ostfront. Neben den Invasoren gingen hier auch die Soldaten des Ansässigkeitsstaates gegen die Bevölkerungsminderheiten vor. Darüber hinaus wurden hunderttausende Zivilisten aus den Front- und Etappenbereichen ins Hinterland zwangsdeportiert: Zum einen, weil da man sie als unzuverlässige „innere Feinde“ betrachtete, zu anderen um sie als Zwangsarbeiter auszubeuten.

  • Entwicklung

    Antisemitismus

    Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde der Antisemitismus zur politischen Bewegung, die den Judenhass zum ideologischen Programm und zur Richtschnur für politische Aktionen erhob. Dahinter verbarg sich eine Ideologie, die Juden und Jüdinnen als „die Anderen“ stigmatisierte und als eine die Gesellschaft bedrohende Gefahr inszenierte. Während des Ersten Weltkrieges führte der „innere Burgfrieden“ zunächst zu einem Abflauen der antisemitischen Hetze, doch der ungünstige Kriegsverlauf förderte die antisemitische Ausschlusspolitik.