Für die aufseiten der Habsburgermonarchie im Verlauf des Ersten Weltkriegs eingezogenen 8 bis 9 Millionen Soldaten und ihre Familien, Freunde und Bekannten stellte die Feldpost oftmals die einzige Kontaktmöglichkeit dar. Ein Lebenszeichen in Form eines Briefes oder einer Karte zu erhalten, war sowohl für die Soldaten an der Front als auch für ihre Familien in der Heimat essenziell.
Angesichts der ständigen Ungewissheit und Anspannung wollten alle Beteiligten wissen, wie es um den geliebten Sohn, Bruder, Vater oder Ehemann an der Front stand und umgekehrt, dass es den Familien in der Heimat gut ging. Die briefliche Kommunikation diente darüber hinaus auch als Ersatz für das alltägliche Gespräch, das durch die räumliche Trennung nicht geführt werden konnte. Viele Feldpostbriefe handeln daher auch von ‚banalen‘ Dingen wie dem Essen, Schlafen oder dem Wetter. Es wurde von den Verrichtungen des Tages erzählt genauso wie von den Kindern, Geschwistern, Freunden und Bekannten. Auf diesem Wege wollte man den Partner beziehungsweise die Partnerin am eigenen Alltag teilhaben lassen, einen Bezug zum vertrauten Umfeld von Familie und Freunden herstellen und an gemeinsam Erlebtes aus der Vorkriegszeit anknüpfen.
In einem Großteil der überlieferten Feldpostbriefe finden sich neben Schilderungen des gegenwärtigen Alltags in der Heimat sowie an der Front, vor allem auch Briefinhalte, die eine gemeinsam erlebte Vergangenheit und eine erhoffte (gemeinsame) Zukunft thematisieren. Da eine gemeinsame Gegenwart weitestgehend fehlte, rief man in den Briefen immer wieder Erinnerungen aus der Vergangenheit wach, die Mut machen und das Leid des Kriegsalltags und der Trennung mildern sollten. Viele Briefschreiber und Briefschreiberinnen thematisierten ebenso regelmäßig ihre Zukunftsentwürfe und imaginierten ein gesundes und glückliches Zusammensein mit ihren Angehörigen und Freunden in einem Leben nach dem Krieg.
Das tägliche Verfassen von Briefen sollte, wie die Historikerin Ulrike Jureit betont, „die durch das Kriegsgeschehen vielfach bedrohten emotionalen Bindungen aufrechterhalten.“ Schon das Schreiben an sich drückte Aufmerksamkeit und Fürsorge aus. Auf schriftlichem Wege versuchte man so die Familien- und Beziehungskonstellationen fortzuführen, Gefühle zu äußern, Sehnsucht auszudrücken und auch ein gewisses Maß an Intimität herzustellen. Dazu kamen oft noch Feldpostpakete, mit denen die Familienmitglieder oder PartnerInnen zum Beispiel sorgfältig zusammengestellte warme Kleidung und selbst gemachte Bäckereien an die Front sandten.
Hämmerle, Christa: Entzweite Beziehungen? Zur Feldpost der beiden Weltkriege aus frauen- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive, in: Veit Didczuneit/Jens Ebert/Thomas Jander (Hrsg.): Schreiben im Krieg. Schreiben vom Krieg. Feldpost im Zeitalter der Weltkriege, Essen 2011, 241-252
Hämmerle, Christa: „… wirf Ihnen alles hin und schau, dass Du fortkommst.“ Die Feldpost eines Paares in der Geschlechter(un)ordnung des Ersten Weltkriegs, in: Historische Anthropologie (1998), 6/3, 431-458
Jureit, Ulrike: Zwischen Ehe und Männerbund. Emotionale und sexuelle Beziehungsmuster im Zweiten Weltkrieg, in: Werkstatt Geschichte (1999) 22, 61-73
Knoch, Peter (Hrsg.): Kriegsalltag. Die Rekonstruktion des Kriegsalltages als Aufgabe der historischen Forschung und Friedenserziehung, Stuttgart 1989
Rebhan-Glück, Ines: Liebe in Zeiten des Krieges. Die Feldpostkorrespondenz eines Wiener Ehepaares (1917/18), in: ÖGL (2012), 56/3, 231–246
Sturm, Margit: Lebenszeichen und Liebesbeweise aus dem Ersten Weltkrieg. Zur Bedeutung von Feldpost und Briefschreiben am Beispiel der Korrespondenz eines jungen Paares. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Universität Wien 1992
Zitate:
„[…] die durch das Kriegsgeschehen ...“: Jureit, Ulrike: Zwischen Ehe und Männerbund. Emotionale und sexuelle Beziehungsmuster im Zweiten Weltkrieg, in: Werkstatt Geschichte (1999) 22, 62