„Liebesgaben“ an die Front und Lebensmittelpakete in die Heimat

Das Versenden von Paketen aus der Heimat an die Front war seit 10. August 1914 zugelassen, musste jedoch bereits Anfang September 1914 erstmals wegen Überlastung unterbrochen werden.
 

Erst Ende 1916 konnte der Paketversand bis zum Ende des Krieges durchgängig gewährleistet werden. Das Gewicht dieser Pakete war anfänglich auf maximal 5 kg und eine Seitenlänge von 60 cm beschränkt – aufgrund des großen Andrangs im Herbst 1914 wurde dies auf 10 kg und 80 cm erhöht, im Dezember 1914 aber wieder auf die Ausgangsnormen reduziert. Neben dem Versand von sogenannten „Liebesgaben“, die zumeist vom staatlichen Kriegsfürsorgeamt, vom Roten Kreuz oder anderen karitativen Initiativen organisiert wurden, erfreute sich auch das „Warenprobenpaket“ enormer Beliebtheit. Solche Sendungen enthielten Artikel zur alltäglichen Verwendung wie „Seife, Kämme, Messer, kleinere Wäschestücke, haltbare Lebensmittel und dergleichen“, welche die Soldaten an der Front gut gebrauchen konnten.

Umgekehrt war das Versenden von (privaten) Paketen von der Front in die Heimat in den ersten Kriegsjahren „aus ‚sanitären‘ Gründen nicht zugelassen.“ Ausnahmen wurden in einzelnen Fällen und zu bestimmten Zeiten, wie zum Beispiel im Frühling oder Herbst gemacht, als es den Frontsoldaten ermöglicht wurde, nicht mehr benötigte Winter- oder Sommerbekleidung an ihre Familien in der Heimat zu senden.

Erst 1917 wurde das Versenden von (privaten) Paketen von der Front in die Heimat in größerem Umfang möglich. Mit der zunehmenden Verschlechterung der Nahrungsmittel- und Versorgungssituation in der k. u. k. Monarchie sandten nun die Soldaten umgekehrt Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände und Rohstoffe nach Hause. So wurden während der neunzehn Monate langen Besatzung Rumäniens durch die k. u. k Truppen etwa 3.856.000 Pakete Richtung Heimat geschickt. Auch nach dem Einmarsch der k. u. k. Truppen in der Ukraine im Frühjahr 1918 wurde eine vergleichbare, wenn nicht sogar höhere Menge an Lebensmittelpaketen heimwärts versandt.

Der rege Verkehr an Paketsendungen von der Front in die Heimat – mittels der k. u. k. Feldpost oder des Kurierdienstes von Kameraden, die auf Urlaub gingen – spielte eine große Rolle für die Versorgung der Familien mit Lebensmitteln und Bedarfsgütern.

Gleichzeitig bedeutete das vermehrte Versenden von Paketen durch die Frontsoldaten und Offiziere eine große Last für die Zivilbevölkerung der besetzen Gebiete, da dort Lebensmittel, Waren und Rohstoffe vielfach nach dem Kriegsleistungsgesetz requiriert, d.h. durch das Militär beschlagnahmt und eingezogen wurden.

Neben Requirierungen kam es auch immer wieder zu Diebstählen und kriegsrechtlich verbotenen Plünderungen. Wie die beiden Historiker Oswald Überegger und Matthias Rettenwander für Tirol während des Ersten Weltkriegs dokumentierten, gingen Soldaten und Offiziere der k. u. k. Armee darüber hinaus gezielt und planmäßig auf Einkaufstouren bei örtlichen Bauern, wo sie sich meist über die erlaubten Höchstpreise für Lebensmittel hinwegsetzten und mehr zahlten, als die Zivilbevölkerung es konnte. Zum Schaden der örtlichen Bevölkerung trieben sie so nicht nur die Preise weiter in die Höhe, sondern heizten auch den ohnehin schon florierenden Schleichhandel weiter an.

Bibliografie 

Clement, Alfred (Hrsg.): Handbuch der Feld- und Militärpost II. 1914-1918, Graz 1964

Hämmerle, Christa: „Habt Dank, Ihr Wiener Mägdelein …“ Soldaten und weibliche Liebesgaben im Ersten Weltkrieg, in: L’Homme. Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft (1997) 8, 132-154

Höger, Paul: Das Post- und Telegraphenwesen im Weltkrieg, in: Gatterer, Joachim/Lukan, Walter (Red.): Studien und Dokumente zur österreichisch-ungarischen Feldpost im Ersten Weltkrieg, Bd. 1, Wien 1989, 23-54

Rebhan-Glück, Ines: „Wenn wir nur glücklich wieder beisammen wären …“ Der Krieg, der Frieden und die Liebe am Beispiel der Feldpostkorrespondenz von Mathilde und Ottokar Hanzel (1917/18), Unveröffentlichte Diplomarbeit, Wien 2010

Überegger, Oswald/Rettenwander, Matthias: Leben im Krieg. Die Tiroler Heimatfront im Ersten Weltkrieg, Bozen 2004

 

Zitate:

„Das Versenden von Paketen ...“: Clement, Alfred (Hrsg.): Handbuch der Feld- und Militärpost II. 1914-1918, Graz 1964, 504

„Das Gewicht dieser Pakete …“: Zahlenangaben, zitiert nach: Clement, Alfred (Hrsg.): Handbuch der Feld- und Militärpost II. 1914-1918, Graz 1964, 504

„Seife, Kämme, Messer, kleinere ...“: Auflistung, zitiert nach: Höger, Paul: Das Post- und Telegraphenwesen im Weltkrieg, in: Gatterer, Joachim/Lukan, Walter (Red.): Studien und Dokumente zur österreichisch-ungarischen Feldpost im Ersten Weltkrieg, Bd. 1, Wien 1989, 45

„aus ‚sanitären‘ Gründen nicht zugelassen“: Clement, Alfred (Hrsg.): Handbuch der Feld- und Militärpost II. 1914-1918, Graz 196, 504

„Erst 1917 wurde das Versenden ...“: Clement, Alfred (Hrsg.): Handbuch der Feld- und Militärpost II. 1914-1918, Graz 196, 504

„[…] neunzehn Monate langen Besatzung …“: Zahlenangaben, zitiert nach: Höger, Paul: Das Post- und Telegraphenwesen im Weltkrieg, in: Gatterer, Joachim/Lukan, Walter (Red.): Studien und Dokumente zur österreichisch-ungarischen Feldpost im Ersten Weltkrieg, Bd. 1, Wien 1989, 46

„gingen Soldaten und Offiziere (...) planmäßig auf Einkaufstouren ...“: Überegger, Oswald/Rettenwander, Matthias: Leben im Krieg. Die Tiroler Heimatfront im Ersten Weltkrieg, Bozen 2004, 171

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    „In Verbindung bleiben“

    Der Erste Weltkrieg trennte oft über mehrere Jahre hinweg tausende Familien voneinander. Umso wichtiger war es für jeden Einzelnen, den Kontakt zu den Lieben in der Ferne aufrecht zu erhalten. Viele bis dahin im Schreiben ungeübte Menschen griffen nun zu Bleistift oder Füllfeder und versuchten, schriftlich mit ihren abwesenden Familien, Freunden und Bekannten in Verbindung zu bleiben.

Personen, Objekte & Ereignisse

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  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?