Dem Publikum zu Diensten – die Film- und Kinobranche vor und im Ersten Weltkrieg

Der gegen das „Unwesen des Kinos“ gerichtete Protest von Lehrern, Eltern, Klerus und Theaterdirektoren ließ die Branche näher zusammenrücken. 1908 wurde der „Reichsverband der Kinematographenbesitzer“ gegründet, die neuen Fachzeitungen („Kinematographische Rundschau“, „Der Komet“) verstanden sich als Sprachrohr der Sparte, machten deren Interessen publik und verwiesen auf neue Strömungen und Entwicklungen des Metiers. Ein wichtiges Anliegen, das 1916 neuerlich diskutiert wurde, war etwa die Forderung nach der Vereinheitlichung und Zentralisierung der Zensur und die Einrichtung einer Berufungsinstanz gegen erlassene Verbote.

Hinsichtlich der Produktionspolitik orientierten sich die Filmemacher an den Wünschen des Publikums, das mehrheitlich (und damit anders als die Kinoreformer) allen voran gute und bisweilen auch „leichte“ Unterhaltung einforderte. Trotzdem schlugen die beiden wichtigsten Herstellerfirmen unterschiedliche Wege ein: Die „Wiener Kunstfilm“ favorisierte die Verfilmung bekannter literarischer Werke, wollte das Kino auf das Niveau des (Sprech-)Theaters bringen und einen Zugang zur „offiziellen Kultur“ herstellen. Die „Sascha-Filmfabrik“ hingegen verstand den Film als Unterhaltungsmedium und setzte auf Grotesken und Possen.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges wirkte auf die österreichisch-ungarische Filmbranche stimulierend. Es entstanden neue Firmen (Burg-Film, Regent-Film usw.), die bereits bestehenden Unternehmen expandierten und die Anzahl der erscheinenden Filme stieg kontinuierlich: Von 42 Titeln im Jahr 1914 auf knapp 100 im Jahr 1918. Letztlich erlebte die Filmindustrie einen Aufschwung, der gegen Mitte der 1920er Jahre seinen Höhepunkt erreichen sollte.

Im Verlauf des Krieges änderten sich die bevorzugten Filmsujets. Die an internationalen Beispielen angelehnten Possen und komischen Einakter wichen Lustspielen, die typisch österreichische Themen, Geschichten und Charaktere ins Zentrum stellten. Ein gewisser Realismus löste das Absurde der Vorkriegs-Grotesken allmählich ab. Gegen Ende des Konflikts mehrten sich zudem Produktionen, welche das Magische, Makabre und Übersinnliche in den Fokus nahmen. Ab 1917 entstand so eine Reihe von Filmen, die als Vorläufer des Expressionismus zu verstehen sind, wie unter anderem: „Der Brief einer Toten“ (A 1917), „Das schwindende Herz“ (A 1917), „Die Liebe einer Blinden“ (A 1917), „Das andere Ich“ (A 1918), „Der Mandarin“ (A 1918). Zum neuen Star des vorexpressionistischen österreichischen Kinos avancierte Magda Sonja, die als Inbegriff der Femme fatale der späten 1910er Jahre Filmgeschichte schrieb.

Bibliografie 

Bono, Francesco: Bemerkungen zur österreichischen Filmwirtschaft und Produktion zur Zeit des Stummfilms, in: Bono, Francesco/Caneppele, Paolo/Krenn, Günter: Elektrische Schatten. Beiträge zur österreichischen Stummfilmgeschichte, Wien 1999, 47-75

Fritz, Walter: Im Kino erlebe ich die Welt. 100 Jahre Kino und Film in Österreich, Wien 1997

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Überwachung & Kontrolle

    Der Alltag in der Habsburgermonarchie war von Propaganda, Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet. Die vielen „weißen“ Flecken in den Tageszeitungen zeugen davon ebenso wie Eingriffe in private Briefe und Telegramme. Gleichzeitig wurde durch Bild, Text und Ton versucht, ein einheitliches und kriegsbejahendes Stimmungsbild zu verbreiten. Ausgeschlossen davon waren nicht einmal die jüngsten Bewohner des Reiches; auch die Schulen der Monarchie wurden zu Orten der staatlichen Einflussnahme.