Der starke Staat und der Untertan: Obrigkeitsdenken und Klassengesellschaft
Die Klassengesellschaft der Habsburgermonarchie war von strengen Hierarchien geprägt. Es herrschten enorme Unterschiede zwischen Arm und Reich. Angehörige verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen sowie Frauen generell standen in existenziellen sozialen und ökonomischen Abhängigkeitsverhältnissen.
Dies spiegelte sich auch im Verhältnis zwischen der Staatsmacht und dem Individuum wider. Im alt-österreichischen Obrigkeitsstaat war der ‚mündige Bürger’ nicht gefragt. Parlamentarismus und Konstitutionalismus als Mittel zur Kontrolle der absoluten Macht des Monarchen stellten in der Habsburgermonarchie eine relativ junge Entwicklung dar. Formen politischer Mitsprache wie das Wahlrecht für breitere Bevölkerungsschichten standen erst am Anfang.
Die ohnedies schwach ausgeprägten Ansätze einer Bürgergesellschaft erlitten durch die Ausnahmesituation des Krieges massive Einschränkungen. Im Sinne des ‚Kriegsabsolutismus’ wurde das Parlament nicht mehr einberufen – der bürokratisch-militärische Staatsapparat regierte ohne Kontrolle durch die Volksvertretung. Die Medien waren einer strengen Zensur unterworfen. Weitreichende staatliche Reglementierungsmaßnahmen betrafen auch das wirtschaftliche Leben, besonders im Bereich der ‚kriegswichtigen Industrie’, wo die Arbeiterschaft unter militärische Aufsicht gestellt wurde. Etliche Bürgerrechte wurden suspendiert und die Versorgung der Zivilbevölkerung einem Rationierungssystem unterworfen. Das Scheitern der staatlichen Behörden bei der Sicherstellung der alltäglichen Grundbedürfnisse führte schließlich zu einem massiven Autoritätsverlust der Staatsmacht.