Von der Theresianischen Reform bis zur Schlacht bei Königgrätz

Unter Maria Theresia begann die systematische Förderung des Militärs, das in den darauf folgenden Jahrzehnten zum machtvollen Herrschaftsinstrument ausgebaut wurde. Mit den Kriegen gegen das revolutionäre Frankreich begann eine neue Entwicklung im Militärwesen, der sich auch die Habsburgermonarchie nicht entziehen konnte.

Die Reformen unter der Herrschaft Maria Theresias (1740–1780) und ihres Nachfolgers Joseph II. (1780–1790) bildeten eine bedeutende Etappe in der Militarisierung der Habsburgermonarchie. Nachdem Österreich im Ersten Schlesischen Krieg (1742) Schlesien an das militärisch besser organisierte Preußen verloren hatte, begann unter Maria Theresia eine umfassende Staats- und Verwaltungsreform. Die Reformen zielten insbesondere auf Neuerungen im Steuer- und Militärwesen ab, wobei man sich gerade in diesen Fragen am siegreichen Erzrivalen Preußen orientierte. Durch systematische Förderung wurde das Militär zu einem mächtigen und loyalen Herrschaftsinstrument ausgebaut. Ihm wurden Aufgaben wie die Vermessung und Kartographierung des Reichs, die Volkszählung und die stete Aktualisierung der dabei erhobenen Daten anvertraut. Die Ergebnisse der Volkszählung bildeten von nun an die administrative Basis für das 1770/71 eingeführte Rekrutierungssystem der Konskription. Dieses innerhalb der österreichisch-böhmischen Kernländer eingeführte System wies den verschiedenen Regimentern Werbebezirke zu, aus denen sie ihr Personal zwangsrekrutieren konnten. Die lokalen Machteliten wurden in diesen Fragen nun ihres Mitspracherechts enthoben. Die Volkszählung diente der Erfassung der männlichen Untertanen und deren Klassifikation nach Berufen. Dadurch wurden jene sozialen Schichten ermittelt, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Stellung so weit entbehrlich galten, dass man sie dem Stehenden Heer zuführen konnte. Das Konskriptionssystem war demnach hoch selektiv. Höher gestellte Schichten, also Männer von Besitz und/oder Bildung, waren vom ungeliebten Militärdienst befreit. Trotz dieser Ausnahmeregelung stieg die Zahl der Männer, die den Militärdienst ableisten mussten. So galten im Jahr 1780 ca. 40 Prozent der männlichen Bevölkerung als tauglich.

Der Prozess der gesellschaftlichen Militarisierung war somit ein zweifacher: Zum einen hatten breitere Bevölkerungsschichten einen – zumindest zeitweiligen – Militärdienst abzuleisten, zum anderen wurde die Institution des Militärs mit wesentlichen, über das reine Kriegshandwerk hinausreichenden Aufgaben betraut. 

Eine weitere wichtige Etappe der Militarisierung begann mit dem Ersten Koalitionskrieg (1792–1797) gegen das revolutionäre Frankreich. Frankreich setzte – um den konterrevolutionären Mächten Europas entgegentreten zu können – auf Totalmobilisierung. Die französische Nationalgarde war die Geburtsstunde des „Bürgersoldaten“, der nicht aus Zwang oder wirtschaftlichem Eigeninteresse in den Krieg zog, sondern aufgrund innerer Überzeugung. Die französischen Nationalgardisten der Volontaires Nationaux kämpften für die Errungenschaften der Revolution, weshalb sie im Gegensatz zu ihren zwangsrekrutierten Gegnern überaus motiviert in die Schlachten zogen.

Die Totalmobilisierung und der soldatische Elan der Franzosen machte Eindruck und wurde – wenn auch unter völlig anderen Voraussetzungen – zur ideellen Schablone für die von Preußen eingeführte Allgemeine Wehrpflicht (1814). Von nun an hatten alle tauglichen Männer ihren Militärdienst abzuleisten. Preußen führte dabei vor, dass die Massenmobilisierung auch ohne Zugeständnisse an den Liberalismus funktionieren konnte: das obrigkeitsstaatliche Land wollte seine Soldaten für den „nationalen Auftrag“ begeistern. 

Dass das preußische System durchaus erfolgreich war, wurde der Donaumonarchie bei der Schlacht von Königgrätz (1866) schmerzvoll vor Augen geführt. Die Niederlage veranschaulichte, wie weit man hinter den militärischen Standard Preußens zurückgefallen war – und dies nicht nur in Fragen der Ausrüstung. Als Folge der Niederlage veranlasste Kaiser Franz Joseph eine große Heeresreform, deren Ergebnis für die Gesellschaft der Habsburgermonarchie weitreichende Folgen hatte: die 1868 eingeführte Allgemeine Wehrpflicht.

Bibliografie 

Hochedlinger, Michael: Militarisierung und Staatenverdichtung. Das Beispiel der Habsburgermonarchie in der frühen Neuzeit, in: Kolnberger, Thomas/Steffelbauer, Ilja/Weigl, Gerald (Hrsg.): Krieg und Akkultuaration, Wien 2004, 107-129

Kruse, Wolfgang: Bewaffnete Bürger. Die Nationalgarde in der Französischen Revolution, in: Bergien, Rüdiger/Pröve, Ralf (Hrsg.): Spießer, Patrioten, Revolutionäre. Militärische Mobilisierung und gesellschaftliche Ordnung in der Neuzeit, Göttingen 2010, 235-258

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    Das Reich der Habsburger

    Österreich-Ungarn war ein äußerst vielfältiges Staatsgebilde. Eine ‚Bestandsaufnahme’ der Habsburgermonarchie am Vorabend des Ersten Weltkriegs zeigt eine Großmacht im Niedergang. Soziale und politische Probleme sowie die alles überschattenden Nationalitätenstreitigkeiten rüttelten an den Fundamenten des Reiches. Jedoch stellte die Monarchie auch einen enorm lebendigen Kulturraum dar, dessen Vielfalt sich als befruchtend auf kulturellem Gebiet erwies, wo das Reich der Habsburger trotz der politischen Stagnation eine Blütezeit durchlebte.

Personen, Objekte & Ereignisse

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Der starke Staat und der Untertan: Obrigkeitsdenken und Klassengesellschaft

    Die Klassengesellschaft der Habsburgermonarchie war von strengen Hierarchien geprägt. Es herrschten enorme Unterschiede zwischen Arm und Reich. Angehörige verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen sowie Frauen generell standen in existenziellen sozialen und ökonomischen Abhängigkeitsverhältnissen.