Belgiens Unparteilichkeit wurde von Deutschland aus operativen Gründen missachtet. Weniger Aufmerksamkeit erlangte demgegenüber der Umgang mit der Neutralität Griechenlands. Hier neigte zwar Ministerpräsident Eleftherios Venizelos den Westmächten zu, ein „germanophiles Lager“ um König Konstantin verfügte jedoch nach wie vor über einen beträchtlichen Aktionsradius. Konstantins Gefolgschaft sah sich jedoch mit der Anwesenheit von Ententetruppen konfrontiert, die nicht allein gegen Bulgarien und seine Verbündeten beziehungsweise im Interesse Serbiens eingesetzt werden sollten, sondern auch erheblichen Einfluss auf die innere Entwicklung Griechenlands ausübten.
Die Gegner der Mittelmächte besetzten neuralgische strategische Positionen und demütigten die Athener Regierung durch Ultimaten und Machtdemonstrationen, während umgekehrt König Konstantin dem Hohenzollernreich zuarbeitete und damit erst recht den Anhang von Venizelos gegen sich aufbrachte. Dieser bildete schließlich eine vor allem von Frankreich gestützte Gegenregierung, worauf das Land eine offene Spaltung mit bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen erlebte.
Gegenüber jenen Kräften unter den antideutschen Alliierten, die bislang noch nach Kompromisslösungen gesucht hatten, überwog nun ebenfalls die Überzeugung, energische Schritte setzen zu müssen. Die Westmächte besetzten deshalb Thessalien, die Landenge von Korinth, Piräus beziehungsweise Athen und erzwangen damit schließlich die Abdankung Konstantins zugunsten seines Sohnes Alexander. Unter diesen Umständen kehrte auch Venizelos in die Hauptstadt zurück, um gemeinsam mit einer parlamentarischen Mehrheit am 29. Juni 1917 den Mittelmächten den Krieg zu erklären.
Nicht das erste und nicht das letzte Mal prägten schwere innere Zerwürfnisse das junge Staatswesen des modernen Griechenland. Die Periode der „nationalen Spaltung“ von 1915 bis 1917 brachte allerdings auch die Entscheidung für das Konzept einer „weiteren Befreiungspolitik“, für das „venizelistische Griechenland der zwei Kontinente und der fünf Meere“, der „Neuen Länder und der Irredenta“. Die militärischen Operationen griechischer Truppen, die sich 1917/18 an den Gefechten auf dem Balkan beteiligten und entscheidend zur Wende des Krieges am südöstlichen Kampfschauplatz beitrugen, schufen für diesen Kurs der fortgesetzten Expansion eine wichtige Grundlage.
In diesem Zusammenhang ging es für die Athener Regierung speziell um territoriale Zugewinne in Thrakien und Kleinasien, während die Ententeverbände an der „Salonikifront“ zunächst wenig bewirken konnten und großteils durch Krankheiten dezimiert wurden. Erst ab Ende 1917 konnte die Moral der Streitkräfte vor Ort gehoben und die Verbindung zwischen den alliierten Kontingenten wiederhergestellt werden. Immerhin trug daraufhin die von der „Salonikifront“ aus gegen Bulgarien vorgetragene Offensive im September 1918 mitentscheidend zum Zusammenbruch der Mittelmächte bei.
Evans, Martin Marix: Forgotten battlefronts at the First World War, Stroud 2009
Leontaritis, G.B.: Greece and the First World War. From Neutrality to Intervention 1917–1918, New York 1990
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Kapitel
- Ausblendung der Balkanfront
- Der Krieg vor dem Krieg
- Sarajewo und die Julikrise
- Ethnischer Konflikt und Brutalisierung der Kämpfe
- Ernüchterung der Militärs – Die gescheiterte „Strafexpedition“
- „Erfolge der Bündnispartner“
- Die Besatzungsregimes in verschiedenen Regionen
- Rumäniens Kriegseintritt und Niederlage gegen die Mittelmächte
- Griechenland an der Seite der Entente
- 1918 - Der Friede zwischen Rumänien und den Mittelmächten
- Konsequenzen des Krieges auf dem Balkan