Der serbisch-österreichische Konflikt mündete in eine bewusst inszenierte Todfeindschaft und in offenen Hass. Verstärkt wurde die Gewalteskalation ab dem Sommer 1914 durch die Tatsache, dass eine radikalisierte k. u. k. Armee im Aufmarsch- und Operationsgebiet alle Kompetenzen an sich zog, also nur noch sich selbst verantwortlich war und in vielen Fällen keine Unterschiede zwischen Militär und Zivilisten machte.
Der Landeschef von Bosnien, Oskar Potiorek, der die k. u. k. Streitkräfte auf dem südöstlichen Kriegsschauplatz kommandierte, hatte schon vor Beginn der Kampfhandlungen die bosnischen Serben als potenzielle Feinde betrachtet und übertrug nun sein Misstrauen und seine Aversion auf die gesamte serbische Bevölkerung. Letztere wurde in Befehlen an die Habsburgerarmee dementsprechend als „hasserfüllte Gemeinschaft von Meuchelmördern“ dargestellt, denen gegenüber jede „Humanität und Weichherzigkeit“ unangebracht sei.
Konsequenz dieser Einstellung waren ab Mitte August 1914 die Zerstörung von Wohnhäusern und ganzen Siedlungen sowie Geiselnahmen. Ein neutraler Beobachter schätzte im Auftrag der serbischen Regierung, dass beim Einmarsch der österreichisch-ungarischen Truppen bis zu 4.000 Zivilisten getötet wurden oder spurlos verschwanden. In den Berichten war von „systematischer Ausrottung“ die Rede, während die serbischen Verteidiger gleichfalls zu einem rücksichtslosen Vorgehen tendierten.
Seitens der österreichischen Heeresführung kritisierte man daraufhin vor allem, dass sich bei den Gegnern auch Zivilisten an den Gefechten beteiligten. Die angeprangerte „Partisanentätigkeit“ diente dann auch dazu, geltendes Kriegsrecht zu missachten: Die Donaumonarchie hatte zwar ihre Streitkräfte dazu angehalten, entsprechende internationale Bestimmungen zu beachten. Im Kampfgeschehen fanden solche Anweisungen jedoch nur bedingt Beachtung. Die Folgewirkungen ließen nicht lange auf sich warten. Unter den Opfern der k. u. k. „Vergeltungsaktionen“ befanden sich auch Frauen und Kinder.
Da sich das Misstrauen der Militärs so vehement gegen die eigene Bevölkerung richtete, trafen schließlich Beschwerdebriefe von Vorstehern verschiedener Bezirke ein, die sich gegen willkürliche Aktionen der k. u. k. Truppen richteten. So hieß es in einem Schreiben des Bezirksvorstehers von Stolac vom 13. August 1914, dass spionageverdächtige Personen nach ihrer Verhaftung nicht einmal einvernommen würden, um den Sachverhalt zu klären. Die Menschen wüssten unter solchen Umständen nicht, was sie tun sollten, meinte der Bezirksvorsteher: „Fliehen sie aus den Häusern und verlassen sie diese, so laufen sie Gefahr, dass diese verbrannt werden, so wie es so manchen geschehen ist, bleiben sie zu Hause oder gehen sie zu ihrem Vieh, so werden sie verhaftet.“
Die Gewaltspirale drehte sich weiter, als die Versorgung der k. u. k. Streitkräfte zusammenbrach und die Mannschaften zu plündern begannen. Ein Honvéd-Soldat meinte demgemäß, die eigenen Truppen hätten „ärger als die Schweden im Dreißigjährigen Krieg“ gehaust; ein Umstand, der die lokale Bevölkerung noch mehr gegen Invasoren aufbrachte, die ihrerseits aufgrund der militärischen Fehlschläge immer aggressiver agierten.
An kritischen Punkten kam es zu regelrechten Massakern; etwa in Sabac, wo eine Infanteriedivision der Habsburgerarmee rund 80 zivile Gefangene auf dem Kirchhof niedermachte, weil sie verdächtigt wurden, an den Gefechten gegen österreichisch-ungarische Verbände beteiligt gewesen zu sein.
Gumz, Jonathan E.: The Resurrection and Collapse of Empire in Habsburg Serbia, 1914–1918, Cambridge 2009
Jerzabék, Rudolf: Potiorek. General im Schatten von Sarajewo, Graz 1991
-
Kapitel
- Ausblendung der Balkanfront
- Der Krieg vor dem Krieg
- Sarajewo und die Julikrise
- Ethnischer Konflikt und Brutalisierung der Kämpfe
- Ernüchterung der Militärs – Die gescheiterte „Strafexpedition“
- „Erfolge der Bündnispartner“
- Die Besatzungsregimes in verschiedenen Regionen
- Rumäniens Kriegseintritt und Niederlage gegen die Mittelmächte
- Griechenland an der Seite der Entente
- 1918 - Der Friede zwischen Rumänien und den Mittelmächten
- Konsequenzen des Krieges auf dem Balkan