Nach der Verwundung begann für die Soldaten ein oft monatelanger Weg durch die verschiedensten Heilanstalten des Hinterlandes. Viele Spitäler waren nur als Provisorien eingerichtet.
Die Erstversorgung der kriegsverletzten und erkrankten Soldaten erfolgte in den Feldspitälern. Von dort wurden sie in die im Hinterland gelegenen Heilanstalten verlegt. Zu diesem Zweck wurden bestehende Spitäler adaptiert und – oft mit Barackenzubauten – erweitert sowie öffentliche Gebäude wie Schulen, Universitäten, Kinderheime, Museen und andere Einrichtungen zu Krankenanstalten umfunktioniert. Nach Möglichkeit versuchte man, Kriegsbeschädigte, die auf eine längere medizinische Behandlung angewiesen waren, in ihren Heimatkronländern und dort je nach ihrer Verletzung in Spezialanstalten unterzubringen. Da es ja theoretisch immer die Chance auf Heilung gab, wurden die verwundeten und erkrankten Soldaten vorerst nicht superarbitriert, also aus dem Militärverband entlassen, und unterstanden auch als Patienten der militärischen Befehlsgewalt. Sie konnten bis zu ihrer Superarbitrierung von einer Heilanstalt in die andere transferiert und im Falle der Genesung jederzeit wieder an die Front oder einen Dienstplatz in der Etappe abkommandiert werden. Für ein ganzes Jahr blieb auch das Militäretat für die Versorgung der Kranken zuständig, bevor sie – wenn die Behandlung tatsächlich so lange dauerte, was nicht selten vorkam – von den Anfang 1915 geschaffenen Landeskommissionen zur Fürsorge für heimkehrende Krieger, und damit in zivile Betreuung, übernommen wurden.
Die Heilanstalten waren von sehr unterschiedlicher Qualität. Die medizinische Betreuung war nicht überall auf dem modernsten Stand. In entlegeneren Teilen der Monarchie gestaltete sich nicht selten sogar die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Heizmaterial sehr schwierig. In Wien hingegen gab es einige als Musteranstalten eingerichtete moderne Spitäler, die, speziell was Chirurgie und Orthopädie betraf, auf erstaunliche medizinische Leistungen verweisen konnten. Allen voran ist hier das Reservespital Nr. 11 mit seinen Schulungswerkstätten in Wien X, Schleiergasse 17 zu nennen, dessen Einrichtung durch die Militärverwaltung im Jahr 1915 der Initiative des Orthopäden Hans Spitzy zu verdanken war. Bis Mitte 1918 wurden hier insgesamt etwa 24.000 Soldaten versorgt.
Der allergrößte Mangel herrschte allerdings an Heilanstalten für Tuberkulosekranke, die einen erheblichen Teil der Kriegsbeschädigten ausmachten. Während der steirischen Landeskommission zur Fürsorge für heimkehrende Krieger Ende 1915 bereits 800 Spitalsbetten für invalide Soldaten und weitere 800 für TBC-Kranke zur Verfügung standen, hatte etwa Oberösterreich noch 1917 keine einzige Anstalt für Tuberkulöse.
Viele Kriegsbeschädigte verbrachten Monate und Jahre in den Heilanstalten. Nicht wenige fanden sich nach dem Krieg völlig entwurzelt in solchen Einrichtungen wieder, die letztlich auch jene Orte waren, von denen die Organisierung der Kriegsbeschädigten in eigenen einflussreichen Vereinen ihren Ausgang nahm.
Barth-Scalmani, Gunda: Kranke Krieger im Hochgebirge: Einige Überlegungen zur Mikrogeschichte des Sanitätswesens an der Dolomitenfront, in: Mazohl-Wallnig, Brigitte/Kuprian, Hermann J. W./Barth-Scalmani, Gunda (Hrsg.): Ein Krieg, zwei Schützengräben. Österreich-Italien und der Erste Weltkrieg in den Dolomiten 1915–1918, Bozen/Innsbruck 2005
Biwald, Brigitte: Von Helden und Krüppeln. Das österreichisch-ungarische Militärsanitätswesen im Ersten Weltkrieg, Wien 2002
Weitensfelder, Hubert: Prothesen sammeln, in: Steinbrener, Christoph (Hrsg.): Unternehmen Capricorn. Eine Expedition durch Museen, Wien 2001, 54-61
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Kapitel
- Von Invalidenrenten, Verwundungszulagen, staatlichen Unterstützungen und Unterhaltsbeiträgen
- Das Scheitern der privaten Wohlfahrt
- Die Heilanstalten
- Von der Wiederherstellung zur Wiedereingliederung: Die Invalidenschulung
- Arbeit für Kriegsbeschädigte
- Helden oder Opfer? Kriegsbeschädigte in der öffentlichen Wahrnehmung
- Formen der Kriegsbeschädigung
- Unmut und Elend: Kriegsbeschädigte organisieren sich