Von Invalidenrenten, Verwundungszulagen, staatlichen Unterstützungen und Unterhaltsbeiträgen

Auf die Versorgung der zahlreichen Kriegsbeschädigten war die Habsburgermonarchie in keiner Weise vorbereitet. Ein kaum durchschaubares Dickicht von Provisorien regelte dieses Bereich bis zum Ende des Krieges nur unzulänglich.

Die Dimension des Ersten Weltkrieges, der Einsatz neuer Waffentechnik, die Wehrpflicht und nicht zuletzt die medizinischen Fortschritte waren die Ursachen dafür, dass dieser Krieg wie kein anderer vor ihm ein Heer von verwundeten, schwer erkrankten und für ihr ganzes Leben gezeichneten jungen Männern hinterließ.

Die Habsburgermonarchie hatte für diese Situation schlecht vorgesorgt. Das alte Militärversorgungsgesetz aus dem Jahr 1875 war – obwohl es erst nach der 1868 eingeführten allgemeinen Wehrpflicht in Kraft trat – eigentlich auf ein Berufsheer zugeschnitten und gänzlich ungeeignet, mit den Folgen eines unter den Bedingungen der Wehrpflicht geführten Krieges umzugehen: Ein weniger als zehn Jahre dienender Soldat hatte nur dann Anspruch auf eine Invalidenrente, wenn klar war, dass er für immer völlig erwerbsunfähig bleiben würde. Für die große Masse der Kriegsbeschädigten, die in ihrer Erwerbsfähigkeit zwar eingeschränkt, aber – mit Unterstützung – doch in der Lage waren, ein halbwegs normales Leben zu führen, war in keiner Weise vorgesorgt. Sie erhielten nicht mehr als eine kleine Verwundungszulage.

Statt eine adäquate gesetzliche Regelung zu schaffen, behalf sich die Monarchie während des Krieges mit immer neuen, äußerst komplizierten und selbst für die Verwaltung kaum zu durchschauenden Provisorien: Ab 1915 wurden die Unterhaltsbeiträge, die Angehörige von Eingezogenen bekamen, im Falle der Invalidität des Eingezogenen weiterbezahlt. Hatte ein Invalide aber keine Familie, so war er auf die Staatliche Unterstützung angewiesen; sie wurde Anfang 1918 erhöht und in Zuwendung umbenannt.

Auf all diese im Laufe des Krieges wegen der steigenden Kosten auch noch an Wert verlierenden Unterstützungszahlungen hatten Soldaten aber nur dann Anspruch, wenn sie ihre Bedürftigkeit nachweisen konnten. Eine umfassende einheitliche Kriegsbeschädigtenversorgung gab es bis zum Ende des Krieges nicht. Hauptgrund dafür war, dass zwischen der österreichischen und der ungarischen Reichshälfte kein Konsens gefunden werden konnte: Ungarn, das zum gemeinsamen Budget prozentuell weniger beitrug, als es für seine Kriegsbeschädigten erhielt, sperrte sich gegen jede Veränderung. Österreich profitierte daher davon, die Versorgung der eigenen Invaliden im Alleingang – und damit eben auch als Stückwerk – zu regeln.

Es blieb der Ersten Republik vorbehalten, eine umfassende Kriegsbeschädigtenversorgung auf die Beine zu stellen: Das international vorbildliche Invalidenentschädigungsgesetz vom April 1919 garantierte erstmals eine von Dienstrang und Dienstdauer unabhängige Versorgung der österreichischen Kriegsbeschädigten, die nun eine Rente erhielten, die sich ausschließlich nach der erlittenen Schädigung und deren Einfluss auf die Erwerbsfähigkeit bemaß.

Bibliografie 

Pawlowsky, Verena/Wendelin, Harald: Die normative Konstruktion des Opfers. Die Versorgung der Invaliden des Ersten Weltkrieges, in: Cole, Laurence/Hämmerle, Christa/ Scheutz, Martin (Hrsg.): Glanz – Gewalt – Gehorsam. Militär und Gesellschaft in der Habsburgermonarchie (1800 bis 1918) (=Frieden und Krieg. Beiträge zur Historischen Friedensforschung 18), Essen 2011, 359-383

Pawlowsky, Verena/Wendelin, Harald: Government Care of War Widows and Disabled Veterans after World War I, in: Contemporary Austrian Studies, XIX: From Empire to Republic: Post-World War I Austria (2010), hg. v. Bischof, Günter/Plasser, Fritz/Berger, Peter, 171-191

 

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    Gewalt im Krieg

    Gewalt war im Ersten Weltkrieg ein gesellschaftlich umfassendes Phänomen. Soldaten, Zivilisten, Frauen, Männer, Kinder und Greise waren auf die eine oder andere Weise mit ihr konfrontiert. Wie man Gewalt erlebte war unterschiedlich: Sie wurde ausgeübt und erlitten, sie war von physischer und psychischer Prägung, sie fand auf struktureller wie individueller Ebene statt, man erfuhr sie direkt oder indirekt.

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Heimkehr

    Im November 1920 erscheint im „Neuigkeits-Welt-Blatt“ ein Bericht über die glückliche Heimkehr aller sieben Brüder der Familie Baumgartner. Sechs Brüder waren bereits unmittelbar nach Kriegsende unbeschadet von der Front zurückgekehrt, während Otto Baumgartner nach fünfjähriger Kriegsgefangenschaft im Jahre 1920 in Wien eintrifft. Ob verwundet oder unversehrt, aus feindlichem Gewahrsam oder nicht, waren Heimkehrer vor die Schwierigkeiten der Wiedereingliederung in die zivile Nachkriegswelt gestellt.

  • Objekt

    Kriegsinvalidität

    Wie kein anderer Krieg zuvor ließ der Erste Weltkrieg ein Heer von verwundeten, erkrankten und für ihr Leben gezeichneten Männern zurück. Mechanische Behelfsmittel wie diese Schreibhilfe sollten die körperliche Funktionalität der Kriegsbeschädigten wiederherstellen und deren Reintegration in den Arbeitsmarkt gewährleisten. Wie groß die Zahl derer aber tatsächlich war, die verwundet oder erkrankt von der Front zurückkehrten, war selbst Jahre nach dem Krieg nicht bekannt. 1922 dürften in Österreich etwa 143.000 Kriegsbeschädigte gelebt haben.