Eher propagandistischen als realen Wert hatten die vielen in guter Absicht von privaten Vereinen organisierten Fürsorgemaßnahmen zugunsten der Kriegsbeschädigten und Kriegerwitwen.
Angesichts des Fehlens einer umfassenden staatlichen Kriegsopferversorgung war die private Wohlfahrt gefordert. Tatsächlich stellten sich schon zu Kriegsbeginn zahlreiche Vereine und Fonds in den Dienst der Kriegsfürsorge und konnten anfangs bedeutende Summen sammeln, ehe die Spendenbereitschaft der mit fortschreitendender Dauer des Krieges nun selbst notleidenden Bevölkerung zunehmend schwand und das Scheitern der privaten Wohlfahrt offenbarte. Auch Unterstützung seitens allerhöchster Stellen konnte das nicht verhindern.
Unter den vielen von privater Seite entfalteten Aktivitäten gehörten die Nagelaktionen zu den originellsten Einfällen. Die Idee, in Wien die hölzerne Statue eines mittelalterlichen Wehrmanns benageln zu lassen und für jeden eingeschlagenen Nagel eine Spende für die Hinterbliebenen gefallener Soldaten einzuheben, stammte vom Militär-Witwen- und Waisenfonds, der sich seinerseits des besonderen Beistands durch den Kaiser erfreute. Der Wehrmann wurde am 6. März 1915 auf dem Wiener Schwarzenbergplatz unter Anwesenheit prominenter Persönlichkeiten erstmals benagelt. Schon in der ersten Woche folgten über 11.000 Wiener und Wienerinnen dem Beispiel von Erzherzog Leopold Salvator, der mit den Botschaftern des Deutschen Reiches und der Türkei die ersten Nägel eingeschlagen hatte. Insgesamt wurde der hölzerne Ritter mit einer aus rund 500.000 Nägeln bestehenden Rüstung überzogen, was Einnahmen von mehr als 700.000 Kronen brachte. Eine rege Vermarktung mit Ansichtskarten, Plaketten und kleinen Wehrmannstatuetten begleitete die Aktion. Die patriotische Begeisterung erfasste in der Folge zahlreiche andere Orte der Monarchie und auch des Deutschen Reiches, so dass allenthalben benagelte Figuren, Wehrschilder, Wappen, U-Boote, Panzer, Adler und andere Objekte entstanden. Regimenter, Berufsverbände und Schulen ahmten das Wiener Beispiel nach. Schon nach einem Jahr wurde es um die mit viel Pomp begonnene Aktion aber wieder still.
Weniger öffentlichkeitswirksam, dafür aber umfassend waren die Aktivitäten der Gesellschaft zur Fürsorge für Kriegsinvalide angelegt. Dieser private Verein, der in Wien eine kleine Invalidentischlerei betrieb, war 1916 vom Ministerium des Innern ausersehen worden, sich um jene Kriegsbeschädigten zu kümmern, die – besonders schwer verwundet – auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr Fuß fassen konnten. Statutengemäß als Großverein mit Zweigstellen in der gesamten Monarchie gedacht, gelang es der Gesellschaft aber bis zum Kriegsende nicht, ihren Wirkungskreis über Wien hinaus auszudehnen. 1917 konnte sie gerade einmal 47 Kriegsbeschädigte auf Arbeitsplätze vermitteln.
So bedeutsam diese privaten Maßnahmen im Kleinen auch waren, so wenig eigneten sie sich, das Problem der Hinterbliebenenversorgung oder das der Reintegration von Kriegsbeschädigten in den Arbeitsprozess wirklich zu lösen. Dass die Sozialagenden in staatlicher Hand gebündelt werden mussten, war daher schon während des Krieges evident: Die Gründung des österreichischen Ministeriums für soziale Fürsorge Anfang 1918 ist Ausdruck davon. Auch die Agenden der Kriegsbeschädigtenversorgung gingen vom Ministerium des Innern auf das neue Sozialressort über. Zu einer umfassenden Reform des Sozialwesens kam es jedoch in der Monarchie nicht mehr.
Fahringer, Franz: Über die Kriegsbeschädigtenfürsorge. Ihre Anfänge und ihr Werdegang in Österreich, Diss. Wien 1953
Hasiba, Wilhelm: 60 Jahre Kriegsopferversorgung in Österreich, o.O. [Wien] 1979
Nierhaus, Irene: Die nationalisierte Heimat. Wehrmann und städtische Öffentlichkeit, in: Ecker, Gisela (Hrsg.): Kein Land in Sicht. Heimat – weiblich?, München 1997, 57-79
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Kapitel
- Von Invalidenrenten, Verwundungszulagen, staatlichen Unterstützungen und Unterhaltsbeiträgen
- Das Scheitern der privaten Wohlfahrt
- Die Heilanstalten
- Von der Wiederherstellung zur Wiedereingliederung: Die Invalidenschulung
- Arbeit für Kriegsbeschädigte
- Helden oder Opfer? Kriegsbeschädigte in der öffentlichen Wahrnehmung
- Formen der Kriegsbeschädigung
- Unmut und Elend: Kriegsbeschädigte organisieren sich