Die (Film-)Heldinnen an der Heimatfront
Die Kriegswirtschaft forderte allen den größten Einsatz ab. Es folgte die Einbindung der Zivilbevölkerung und insbesondere der Frauen in den „totalen Krieg“. Sie eroberten neue Arbeitsgebiete für sich. Die Mitverantwortung der „Heimatfront“ setzte mitunter Demokratisierungseffekte in Gang und veränderte die Ansprüche der Gesellschaft an den Staat.
Klar ersichtlich ist die weibliche Neupositionierung in Industrie(werbe)filmen, die ab dem Jahr 1916 in Produktion gingen und verschiedene Aufnahmen der österreichisch-ungarischen Rüstungsgroßindustrie – vornehmlich in Kurzfilmen – zur Schau stellten. Im Propagandastreifen über die „Munitionsfabrik Hermann Weiffenbach Ges.m.b.H. Wien“ (A 1917) wird die Leistungskraft der Kriegsindustrie mittels Darstellung der Fertigkeiten und des Tempos der Arbeiterinnen demonstriert: An lang gereihten Tischbänken verrichten Frauen ihre „kriegswichtigen Tätigkeiten“. Die Kamera schwenkt über ihre eifrigen Hände. Ein Arbeitsschritt folgt in akkurater Abfolge dem nächsten. Eine rationell organisierte Herstellung der Handleucht-Raketen und Friktionszünder wird präsentiert. Die Arbeiterinnen stehen unter laufender Beobachtung – nicht allein durch die Kamera, vielmehr durch männliche Kontrollorgane, die hinter den Frauen auf und ab gehen und prüfend über deren Schultern blicken.
Die Bilder spiegeln reale Mentalitäten wider. Trotz des durch den Krieg bedingten Ausfalls an männlichen Arbeitskräften weigerten sich die Unternehmer vorerst oftmals, Frauen in ihre Dienste zu nehmen. Der Hauptgrund für die Ablehnung weiblicher Arbeitskräfte war der Umstand, dass diese der militärischen Disziplin nicht unterstanden. Die Aufnahmen aus der Munitionsfabrik Weiffenbach beweisen, dass der zusehende Mangel an männlichem Personal das Heranziehen weiblicher Mitarbeiter geradezu erzwang und dass auf andere Weise ein effektvolles Überwachungssystem installiert werden konnte. In Wien erhöhte sich der Anteil an weiblichen Beschäftigten von 31 Prozent (1913) auf 53 Prozent (1918). Über 50 Prozent der Arbeiterschaft in den Munitionsfabriken Manfred Weiss und Wöllersdorf waren Frauen, im Rüstungsbetrieb Enzesfeld lag ihr Anteil bei 45 Prozent.
An der „Heimatfront“ wurde indessen für die Soldaten im Feld gestrickt und genäht. Zu Beginn des Krieges konnte man noch Tabakwaren und selbst gebastelte Weihnachtsbäume verschicken, wie es die Filmpropaganda eifrig dokumentierte („Weihnachtsgaben für die verbündeten Truppen“, A/D 1915). Die Ressourcen gingen jedoch bald zur Neige. Schließlich sammelte man Brennnesseln für die Kleiderproduktion und fertigte aus Zeitungspapier Schuheinlagen, die gegen die Nässe schützen sollten.
Hanisch, Ernst: Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftspolitik im 20. Jahrhundert, Wien 1994
Wegs, Robert J.: Die österreichische Kriegswirtschaft 1914–1918, Wien 1979