Die Trennung beginnt

Ottokar Hanzel wird eingezogen

Bereits drei Tage nach der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, am 1. August 1914, wurde Ottokar Hanzel zum Festungsartillerie-Bataillon Nr. 4 und hier zur Ersatzkompanie Franzensfeste in Tirol eingezogen.
 

Am 1. November 1914 erfolgte seine erste Beförderung zum Landsturm-Oberleutnant, der genau drei Jahre später eine weitere zum Landsturm-Hauptmann folgte. Außerdem erhielt Ottokar Hanzel im Laufe des Ersten Weltkrieges mehrere Auszeichnungen, wie etwa die Bronzene und Silberne Militärverdienstmedaille.

Ottokar Hanzel war während der vier Kriegsjahre Kommandant der Artilleriegruppe Riva und Brione, Kommandant einer Feldkompanie sowie Werkskommandant auf Garda. Damit war er ausschließlich an Schauplätzen der italienischen Front stationiert, vor allem bei Befestigungsanlagen, die bereits im 19. Jahrhundert zu Verteidigungszwecken erbaut worden waren.

Dass Ottokar Hanzel während der vier Kriegsjahre seinen Aufgaben als Offizier nicht nur gewissenhaft, sondern mit Eifer nachging, davon zeugt auch seine Qualifikationsliste. In dieser hieß es über ihn: „unerschrocken, kaltblütig und tapfer“ (...), „offener, fester, pflichtbewusster Charakter, ernstes Gemüt, ruhiges Temperament. (...), sehr viel Diensteifer, mit sehr guten Erfolgen, (...) von vorzüglichem Einflusse auf seine Untergebenen; sowohl Offiziere als auch Mannschaft.“

Schon kurz nach Kriegsbeginn begannen Mathilde und Ottokar Hanzel ihre Schreiben zu nummerieren und führten dies über den gesamten Zeitraum ihres Briefwechsels fort. So hieß es bereits in einem der ersten überlieferten Briefe Ottokar Hanzels an seine Frau vom 3. August 1914: „Von jetzt an nummeriere ich jede Nachricht an Dich, daher Nr. 3. Mach‘ es ebenso u. bestätige mir den Empfang dieses Briefes.“

Da die Nummerierung nach jedem Heimataufenthalt Ottokar Hanzels von Neuem begann, lassen sich auf diese Weise, so die Historikerinnen Monika Bernold und Johanna Gehmacher, acht Trennungsphasen feststellen. Die beiden längsten Trennungen erfolgten in den Jahren 1915 und 1916 und umfassten neun beziehungsweise zehneinhalb Monate. Im Regelfall jedoch konnte Ottokar Hanzel nach etwas mehr als einem halben Jahr für bestenfalls zwei Wochen auf „Heimaturlaub“ abgehen; im Frühjahr 1918 sah sich die Familie sogar in noch kürzeren Intervallen.

Neben der Nummerierung informierte sich das Ehepaar gegenseitig über den Empfang von Briefen und Karten in kurzen Eintragungen, wie zum Beispiel „Wien, 3. Okt. 1917. Nr. 29 vom 1./10. erhalten.“ Auf vielen Schreiben wurden im Nachhinein die Nummer des Briefes und das Empfangsdatum vermerkt. Mathilde Hanzel hielt darüber hinaus in einem ihrer Kalender die Nummern der erhaltenen und versandten Briefe fest und erfasste damit auch jene Zeit, die ein Brief von der Front in die Heimat brauchte und umgekehrt. Auf diese Weise lässt sich erkennen, dass die Postdauer stark schwankte und ein Brief oder eine Karte oft nur zwei oder drei Tage, manchmal aber auch länger als zehn Tage brauchte, um sein Ziel zu erreichen. Der Erhalt beziehungsweise das Versenden von Post sowie das Schreiben an sich waren daher von Beginn an ein immer wiederkehrendes Thema.

Bibliografie 

Bernold, Monika/Gehmacher, Johanna: Auto/Biographie und Frauenfrage. Tagebücher, Briefwechsel, Politische Schriften von Mathilde Hanzel-Hübner (1884-1970), Wien 2003

Rebhan-Glück, Ines: „Wenn wir nur glücklich wieder beisammen wären …“ Der Krieg, der Frieden und die Liebe am Beispiel der Feldpostkorrespondenz von Mathilde und Ottokar Hanzel (1917/18), Unveröffentlichte Diplomarbeit, Wien 2010

Rebhan-Glück, Ines: Liebe in Zeiten des Krieges. Die Feldpostkorrespondenz eines Wiener Ehepaares (1917/18), in: ÖGL (2012), 56/3, 231–246

 

Zitate:

„unerschrocken, kaltblütig und tapfer ...“: Qualifikationsliste, Österreichisches Staatsarchiv, Abteilung Kriegsarchiv, Personalakten, Pers. Quall: Grundbuchblatt und Qualifikationsliste Ottokar Hanzel. Karton: HANUSZ-HAQUI 961, Bogen 6

„offener, fester, pflichtbewusster Charakter, ...“: Qualifikationsliste: Österreichisches Staatsarchiv, Abteilung Kriegsarchiv, Personalakten, Pers. Quall: Grundbuchblatt und Qualifikationsliste Ottokar Hanzel. Karton: HANUSZ-HAQUI 961, Bogen 4

„(...) von vorzüglichem Einflusse ...“: Qualifikationsliste: Österreichisches Staatsarchiv, Abteilung Kriegsarchiv, Personalakten, Pers. Quall: Grundbuchblatt und Qualifikationsliste Ottokar Hanzel. Karton: HANUSZ-HAQUI 961, Bogen 5

„Von jetzt an nummeriere ...“: Ottokar Hanzel an Mathilde Hanzel, 03.08.1914, Sammlung Frauennachlässe, Nachlass 1, Institut für Geschichte der Universität Wien

„Wien, 3. Okt. 1917. Nr. 29 ...“: Mathilde Hanzel an Ottokar Hanzel, 03.10.1917, Sammlung Frauennachlässe, Nachlass 1, Institut für Geschichte der Universität Wien

„Da die Nummerierung nach jedem Heimataufenthalt …“: Bernold, Monika/Gehmacher, Johanna: Auto/Biographie und Frauenfrage. Tagebücher, Briefwechsel, Politische Schriften von Mathilde Hanzel-Hübner (1884-1970), Wien 2003, CD-ROM, 205

„Die beiden längsten Trennungen …“: Bernold, Monika/Gehmacher, Johanna: Auto/Biographie und Frauenfrage. Tagebücher, Briefwechsel, Politische Schriften von Mathilde Hanzel-Hübner (1884-1970), Wien 2003, CD-ROM, 205

„Mathilde Hanzel hielt darüber hinaus in einem ihrer Kalender …“: Bernold, Monika/Gehmacher, Johanna: Auto/Biographie und Frauenfrage. Tagebücher, Briefwechsel, Politische Schriften von Mathilde Hanzel-Hübner (1884-1970), Wien 2003, CD-ROM, 205

 

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    „In Verbindung bleiben“

    Der Erste Weltkrieg trennte oft über mehrere Jahre hinweg tausende Familien voneinander. Umso wichtiger war es für jeden Einzelnen, den Kontakt zu den Lieben in der Ferne aufrecht zu erhalten. Viele bis dahin im Schreiben ungeübte Menschen griffen nun zu Bleistift oder Füllfeder und versuchten, schriftlich mit ihren abwesenden Familien, Freunden und Bekannten in Verbindung zu bleiben.

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Person

    Mathilde Hanzel (geb. Hübner)

    Die in Wien wohnhafte Bürgerschullehrerin Mathilde Hanzel engagierte sich während des Ersten Weltkriegs im Umfeld des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins wiederholt für den Frieden.

  • Person

    Ottokar Hanzel

    Der im Zivilberuf als Gymnasiallehrer tätige Ottokar Hanzel aus Wien war während des Ersten Weltkriegs als Landsturm-Hauptmann an der Italienfront eingesetzt.

  • Objekt

    Das „Ich“ im Krieg

    Lange Zeit wurde der Erste Weltkrieg nur aus dem Blickwinkel öffentlicher Persönlichkeiten oder Generäle erzählt. Wie die Bevölkerung der österreichisch-ungarischen Monarchie den Krieg erlebte und überlebte, blieb hingegen im Dunkel der Geschichte verborgen. Gerade sogenannte „Ego-Dokumente“ - wie dieses Tagebuch - geben uns jedoch neue und vielfältige Einblicke in die individuellen Erlebnisse, Erfahrungen und Sinndeutungen der Menschen im Krieg.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?