Im Jahr 1989 initiierte eine Gruppe von Historikerinnen unter der Leitung von Edith Saurer (1942–2011), Professorin für Neuere Geschichte, Wegbereiterin und wichtige Vertreterin der österreichischen Frauen- und Geschlechtergeschichte, im Rahmen einer Ausstellung zu 70 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich einen Zeitungsaufruf, in dem sie um private Nachlässe bat. Dieser Zeitungsaufruf führte zum Kontakt mit der Familie von Mathilde Hanzel-Hübner und die ersten umfangreichen Aufzeichnungen und Briefe wurden übergeben.
Heute bildet der Nachlass der Familie Hanzel-Hübner einen der größten Bestände der Sammlung Frauennachlässe und wurde auch bereits in mehreren Forschungs- und Editionsprojekten bearbeitet. Erhalten sind sowohl Dokumente von Mathilde Hanzels Vorfahrinnen und Vorfahren aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als auch umfangreiches Material aus ihrer eigenen Kindheit, sowie Tagebücher und Korrespondenzen mit Freundinnen, mit Mitstreiterinnen in der Ersten Bürgerlichen Frauenbewegung (Allgemeiner Österreichischer Frauenverein), mit ihren Töchtern sowie mit ihrem Ehemann Ottokar Hanzel.
Aus der Zeit des Ersten Weltkriegs sind uns mehr als 2.000 Feldpostbriefe und -karten überliefert. Der Großteil davon ist – bis auf kurze Perioden in den ersten beiden Kriegsjahren, in denen beide auch stenographierten – in Kurrentschrift auf Briefpapier verfasst, wobei sich Tinte und Bleistift als Schreibutensil abwechselten. Obwohl sich die Briefe durch eine korrekte Orthographie auszeichnen, konnte das Schriftbild – durch die oftmals schon verblasste und zum Teil sehr kleine Kurrentschrift – vor allem auf den mit Bleistift verfassten Seiten mitunter nur mehr schwer entschlüsselt werden.
Wie in vielen anderen Feldpostbeständen fehlen auch in dieser Korrespondenz einzelne Schreiben, vor allem Briefe Ottokar Hanzels – was eher selten ist. Oftmals waren es die Briefe der korrespondierenden Frauen, die – sei es durch einen Angriff feindlicher Truppen oder den raschen Aufbruch im Zuge einer Offensive – an den Fronten verloren gegangen sind. Dies bedeutet aber keineswegs, dass Frauenbriefe an Soldaten nur selten überliefert sind. Vielmehr ist der Briefwechsel zwischen Mathilde und Ottokar Hanzel nur ein Beispiel für die große Anzahl von erhaltenen, an Soldaten gerichteten Frauenbriefen aus dem Ersten Weltkrieg.
Bernold, Monika/Gehmacher, Johanna: Auto/Biographie und Frauenfrage. Tagebücher, Briefwechsel, Politische Schriften von Mathilde Hanzel-Hübner (1884-1970), Wien 2003
Gerhalter, Li unter der Mitarbeit von Brigitte Semanek: Bestandsverzeichnis der Sammlung Frauennachlässe am Institut für Geschichte der Universität Wien, 2. Auflage, Wien 2012
Gerhalter, Li: „Quellen für die Frauen- und Geschlechtergeschichte haben wir auf jeden Fall benötigt“: Die Sammlung Frauennachlässe am Institut für Geschichte, in: Szemethy, Hubert/Klemun, Marianne/Fuchs, Martina (Hrsg.): Gelehrte Objekte? – Wege zum Wissen. Aus den Sammlungen der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät an der Universität Wien (= Ausstellungskatalog des Österreichischen Museums für Volkskunde), Bd. 98, Wien 2013, 122-141
Hämmerle Christa: Entzweite Beziehungen? Zur Feldpost der beiden Weltkriege aus frauen- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive, in: Veit Didczuneit/Jens Ebert/Thomas Jander (Hrsg.): Schreiben im Krieg. Schreiben vom Krieg. Feldpost im Zeitalter der Weltkriege, Essen 2011, 241-252
Rebhan-Glück, Ines: Liebe in Zeiten des Krieges. Die Feldpostkorrespondenz eines Wiener Ehepaares (1917/18), in: ÖGL (2012), 56/3, 231–246
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Kapitel
- Wie kommt ein Briefwechsel in ein Archiv?
- Die ProtagonistInnen: Mathilde Hübner und Ottokar Hanzel
- Liebe, Heirat, Beruf
- Die Trennung beginnt
- ‚Kriegsbegeisterung‘ versus Sehnsucht nach Frieden
- Der ‚Treuebruch‘ Italiens 1915
- „… einmal muß dieser Krieg doch ein Ende haben?!“
- „… und morgen geht’s an ein fröhliches Werben f. den Frieden.“
- Schleichhandel, Preistreiberei und Selbstversorgung
- Eine Liebesbeziehung im Krieg