Um Italien an der Seite seiner Dreibundpartner zu halten oder zumindest die Neutralität des Apenninenkönigreiches zu gewährleisten, standen von Anfang an Gebietsabtretungen im Raum. Das Entgegenkommen der römischen Regierung wollte sich auf diese Weise aber auch die Entente sichern. Ein Feilschen und Taktieren um die günstigsten Konditionen und Allianzen begann.
Kaum hatte sich die Habsburgermonarchie zu einem militärischen Schlag gegen Serbien entschlossen, beriefen sich die Italiener auf den Dreibundvertrag. Auf dessen siebten Artikel verweisend, forderten sie auch im Falle einer lediglich temporären Besetzung feindlicher Gebiete durch die k. u. k. Armee diverse Kompensationen. Einigermaßen verärgert mussten die ablehnend reagierenden Österreicher erkennen, dass sich Rom in dieser Sache sogar auf die Rückendeckung Berlins verlassen konnte. Ein Kompromiss schien aus der Sicht der Wiener Regierung jedoch nur am Balkan möglich. Sie signalisierte daher bezüglich albanischer Territorien Gesprächsbereitschaft, verhielt sich aber gegenüber den Ansprüchen Italiens auf das Trentino reserviert.
In Berlin konnte man sich mit den Forderungen Roms eher anfreunden. Anfang 1915 stellten die Deutschen eine Entschädigung für Österreich-Ungarn in Form von polnischen Kohlegebieten in Aussicht. Wien aber ging auf Konfrontationskurs und verlangte aufgrund der italienischen Expansion im Ägäisraum gleichfalls Kompensationen.
Im Gegenzug setzte das Apenninenkönigreich den Preis hinauf. Angesichts der Erkenntnis, dass von der Entente mehr zu erwarten war als von den Mittelmächten und insbesondere vom Habsburgerreich, versteifte man sich auf spezielle Wünsche. Untermauert wurde diese Strategie schließlich durch den Londoner Vertrag vom 26. April 1915, in dem die Westmächte den Italienern die Erweiterung ihres Einflussgebietes in der Adria und bis zum Brenner zusicherten.
Danach ging alles sehr schnell. Außenminister Sonnino kündigte Anfang Mai den Dreibundvertrag. Zwei Wochen später stattete das Parlament in Rom die Regierung Salandra mit außerordentlichen Vollmachten im Kriegsfall aus. Zur selben Zeit, es war der 20. Mai, wurde die Generalmobilmachung für den 23. Mai angekündigt. An diesem Tag, dem Pfingstsonntag des Jahres 1915, wurde Österreich-Ungarn die italienische Kriegserklärung überreicht.
Afflerbach, Holger: Der Dreibund. Europäische Großmacht- und Allianzpolitik vor dem Ersten Weltkrieg, Wien/Köln/Weimar 2002
Hürter, Johannes (Hrsg.): Der Kriegseintritt Italiens im Mai 1915, München 2007
Isnenghi, Mario/Rochat, G.: La grande guerra 1914–1918, Mailand 2000
Rauchensteiner, Manfried: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914–1918, Wien/Köln/Weimar 2013