Geschütze statt Geläute: Metallsammlungen

Um während des Ersten Weltkriegs den Nachschub an Metallen zu sichern, wurde der Bergbau aktiviert. Außerdem wurden Gegenstände aus Metall gesammelt und für militärische Zwecke umgearbeitet. Einen höheren Bekanntheitsgrad erlangten dabei die „Patriotische Kriegsmetallsammlung“ und die Verwertung vieler Kirchenglocken.

Um an begehrte Metalle zu gelangen, bildete sich bereits Ende 1914 ein Komitee unter der Bezeichnung „Patriotische Kriegsmetallsammlung“. Die Bevölkerung wurde zur Abgabe von Haushaltsgeräten aufgerufen. Dafür gab es eine Reihe von Sammelstellen, drei davon in Wien. Zur Rettung kunsthistorisch wertvoller Gegenstände wurde eine Kommission unter der Leitung des Hauptmanns Alfred Walcher Ritter von Molthein gebildet. Er traf seine Entscheidungen gemeinsam mit Vorständen der Artillerie-Zeugsdepots, den Landeskonservatoren und den Leitern der Landesmuseen. Ein Teil der ausgesonderten Objekte wurde um die Jahreswende 1915/16 öffentlichkeitswirksam im Festsaal des Militärkasinos am Schwarzenbergplatz in Wien zur Schau gestellt. Dazu erschien ein reich bebilderter Katalog. Gezeigt wurden unter anderem Küchen- und Apothekenmörser, Pfannen, Weihwasserkessel und Kirchenleuchter aus Zinn, Schuh- und Gürtelschnallen, Schrankbeschläge, Uhrenzifferblätter, Mantel- und Buchschließen sowie Lichtputzscheren. Angesichts weiter zunehmenden Metallmangels wurde die Bevölkerung zwischen Ende 1915 und Mitte 1916 zur Zwangsabgabe von Geräten aus Zinn und Nickel sowie deren Legierungen aus Kupfer, Messing und Bronze angehalten. Darüber hinaus wurden Kupferdächer ohne größeren historischen oder künstlerischen Wert abgetragen. Seit Anfang 1917 wurde außerdem die Abgabe kirchlicher Metallgeräte verfügt, doch blieb schließlich ein großer Teil der Pfarren davon befreit. Nach dem Krieg gelangten Teile der geretteten Objekte der „Kriegsmetallsammlung“ an das Museum für Kunst und Industrie (heute Museum für angewandte Kunst) sowie an das Technische Museum, letzteres bekam rund tausend dieser Gegenstände.

Kirchenglocken enthielten große Mengen Kupfer und Zinn, die sogenannte „Glockenspeise“. Seit Jahrhunderten waren sie daher in Kriegszeiten aus den Kirchtürmen entfernt und in militärisches Gerät umgeschmolzen worden. Ihre Abnahme erregte allerdings starke Emotionen in Teilen der Bevölkerung. Im Mai 1915 startete eine Aktion zur freiwilligen Abgabe von Kirchenglocken. Sie wurden nach ihrem Alter in drei Kategorien unterteilt, nur Glocken aus dem 19. und 20. Jahrhundert standen zur Einschmelzung frei. Diese waren bis Mai 1917 verbraucht. Daraufhin wurden Zwangsabgaben verfügt, wobei lediglich Glocken aus der Zeit vor 1600 geschützt blieben. Nach zeitgenössischen Erhebungen fielen der Glockenabnahme etwa in Niederösterreich, Salzburg und Tirol 90 Prozent der Geläute zum Opfer, in Mähren und Schlesien sogar 96 Prozent. Um weiteres Zinn zu gewinnen, wurde ferner die Abgabe von Orgelzinnpfeifen in Kirchen, Schulen, Konzertsälen und aus Privatbesitz angeordnet, wobei wiederum lediglich historisch wertvolle Werke verschont blieben. Im Durchschnitt der Kronländer kamen dabei 88 Prozent zur Abgabe. Angesichts des ungeheuren Metallbedarfs des Heeres erwiesen sich aber Maßnahmen wie die Kriegsmetallsammlung und die Glockenabnahme letztlich als völlig ungenügend.

Bibliografie 

Klampfl, Simon: Die „Patriotische Kriegsmetallsammlung“ (1915) des Österreichischen Museums für angewandte Kunst, Diplomarbeit Univ. für angewandte Kunst, Wien 2008

Lackner, Helmut/Jesswein, Katharina (Hrsg.): 100 Jahre Technisches Museum Wien, Wien 2009

Schubert-Soldern, Fortunat von: Metallbeschlagnahmung in Österreich, in: Clemen, Paul (Hrsg.): Kunstschutz im Kriege. Berichte über den Zustand der Kunstdenkmäler auf verschiedenen Kriegsschauplätzen, 2 Bände, Leipzig 1919, Band 2, 215–221

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Mangel und Elend

    Als im Jänner 1915 die Bevölkerung auf ausbleibende Brot- und Mehllieferungen mit Panikkäufen reagierte, führte die Kriegs-Getreide-Verkehrsanstalt das Bezugskartensystem ein. Pro-Kopf-Quoten wurden festgesetzt und über Brot- und Mehlkarten verteilt. Doch selbst die zugewiesenen Rationen konnten angesichts der Krise immer seltener ausgegeben werden und die Papierscheine erwiesen sich als wertlos.