Die Ersatzmittel-Ausstellung im Prater 1918

Der Prater bot Unterhaltung, wurde aber auch zur Propagierung militärischer Ziele genutzt. In den letzten Kriegsmonaten fand hier eine Ausstellung über Ersatzmittel statt. Trotz gegenteiliger Intention vermittelte sie einen regen Eindruck davon, wie schwer die Bewältigung des Alltags inzwischen geworden war.

Das Pratergelände diente immer wieder als Schauplatz für große Ausstellungen. Diese Tradition wurde auch für kriegerisch-patriotische Zwecke genutzt: So ging hier 1916 eine große Kriegsausstellung in Szene. Zur Schau gestellt wurden militärische Ausrüstungsgegenstände der Mittelmächte, erbeutete Gegenstände der Kriegsgegner sowie Zeugnisse der Kunst, Literatur und Fotografie. Ein System nachgebauter Schützengräben lud zum „Kriegspielen“ ein.

In den Monaten Mai bis Juni 1918 fand im Prater eine Schau über Ersatzmittel statt. Sie verdeutlichte gleichermaßen die Breite, in der diese Stoffe nunmehr Verwendung fanden, ebenso wie das verzweifelte Bemühen, deren Akzeptanz zu verbessern. Dazu hieß es im Vorwort des Ausstellungskatalogs: „Zum Teil noch ungekannt, zumindestens aber nur widerwillig, ohne Vertrauen, ohne Verständnis und damit auch ohne Erfolg verwendet, vermochten sich diese Ersatzstoffe noch nicht den Platz zu erwerben, der ihnen in der Kriegswirtschaft gebührt.“

Die Schau konzentrierte sich dementsprechend auf Anwendungsgebiete, welche mittlerweile fest zum Kriegsalltag gehörten. Gezeigt wurden vorwiegend die Bereiche Ernährung und Haushalt sowie Bekleidung und Schuhwerk, wobei Papiergewebe und Lederersatz dominierten. Die „Öl- und Fettzentrale“ demonstrierte Fettersatzstoffe wie Kriegssuppen aus entölten Keimen, Fette aus Schafwolle, Fettauffangvorrichtungen und „Schwindelseifen“. Letztere Bezeichnung verwies auf den enormen Qualitätsverlust von Haushaltsseifen.

Die Bevölkerung war inzwischen dazu übergegangen, zur Ergänzung ihrer Nahrung Pilze und Beeren, Wildgemüse und Flechten zu sammeln. Das Amt für Volksernährung lieferte dazu Proben und Zahlenangaben: 1917 hatten 756 Übernahmestellen gut 1.260 Tonnen Teeersatzblätter, Nesselstängel, Rosskastanien und Eicheln zu Nahrungszwecken angekauft. Die Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Genussmittel des  Österreichischen Apothekervereins zeigte Ersatzmittel für Fleisch, Eier, Mehl, Kakao, Kaffee, Tee, Tabak und Speiseöl. Zur brennstoffsparenden Zubereitung dieser Nahrungsmittel wurden Kochkisten angepriesen. Auch die Tiere wurden mit minderwertigem Futter abgespeist, mit Abfällen aus der Zuckerherstellung und mit „Kraftstroh“. Mehrere katholische Frauenorganisationen präsentierten Aktionen wie das „Spinnrad im Weltkrieg“ zur Selbstversorgung, eine „Strumpfklinik“ mit Hinweisen zur schonenden Behandlung von Papierwäsche sowie Tipps zur Herstellung von Kinderkleidung aus Seidenabfällen und Hundehaaren wie auch von Puppen aus Abfällen.

Auch die Schuhwarenerzeugung im Flüchtlingslager Mitterndorf an der Fischa war mit Sohlen aus Holz, Gummiregenerat oder wasserdichtem Filz vertreten. Viele Ersatzmittel trugen sprechende Namen wie Futurit, Gummoid und Gummon. Das Kunstharz „Abalak“ eignete sich angeblich anstelle von Kolophonium für Lacke und Firnisse; „Juvelith“ ahmte Bernstein, Elfenbein und Korallen nach. Das Inseratenverzeichnis des Katalogs nannte rund hundert Firmen, die eine Vielzahl von Produkten anboten.

Bibliografie 

Katalog der Ersatzmittel-Ausstellung Wien 1918, hg. von der Ausstellungskommission, Wien 1918

Sommer, Monika: Zur Kriegsausstellung 1916 im Wiener Prater „als mächtige Antwort der Monarchie an das feindliche Ausland“, in: Pfoser, Alfred/Weigl, Andreas (Hrsg.): Im Epizentrum des Zusammenbruchs. Wien im Ersten Weltkrieg, Wien 2013, 502–513

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Mangel und Elend

    Als im Jänner 1915 die Bevölkerung auf ausbleibende Brot- und Mehllieferungen mit Panikkäufen reagierte, führte die Kriegs-Getreide-Verkehrsanstalt das Bezugskartensystem ein. Pro-Kopf-Quoten wurden festgesetzt und über Brot- und Mehlkarten verteilt. Doch selbst die zugewiesenen Rationen konnten angesichts der Krise immer seltener ausgegeben werden und die Papierscheine erwiesen sich als wertlos.

Entwicklungen

  • Entwicklung

    Alltag an der (Heimat) Front

    Wie gestaltete sich der Alltag in der Heimat und an den Fronten während der Jahre 1914 bis 1918? Lässt sich der Alltag einer bürgerlichen Frau mit jenem einer Arbeiterin vergleichen? Machte ein Offizier dieselben Fronterfahrungen wie ein Mannschaftssoldat? Oder müssen wir nicht eher davon ausgehen, dass wir es mit einer immensen Fülle an Einzelerlebnissen und -erfahrungen zu tun haben, die den Kriegsalltag der Bevölkerung und der Soldaten an den Fronten prägten?