Das Arsenal als Rüstungsschmiede

Schon vor dem Krieg galt das „k. u. k. Artillerie-Arsenal“ als große staatliche Waffenschmiede. Während des Krieges erlebte es eine enorme Expansion. In 18 Fabriken waren phasenweise bis zu 20.000 Arbeitskräfte nicht nur mit der Neuproduktion, sondern auch mit der Reparatur und dem Recycling von Waffen beschäftigt.

Eine Sonderstellung in der Wiener Rüstungsindustrie nahm als heereseigener Betrieb das „k. u. k. Artillerie-Arsenal“ mit der Artilleriezeugsfabrik und einem Artilleriezeugsdepot ein. Es expandierte während des Weltkrieges zu einer „Waffenbeschaffungsanstalt“ ungeahnter Größe. Während vor Kriegsbeginn rund 2.600 Arbeiter beschäftigt waren, stieg während des Krieges die Zahl auf bis zu 20.000 Beschäftigte an, darunter 14.000 Zivil-, daneben auch eine erhebliche Zahl von Landsturmarbeitern. Selbst bei Kriegsende waren noch immer etwa 12.000 Personen beschäftigt.

Während des Krieges produzierten im Arsenal 18 große Fabriken für den Heeresbedarf. Um diese Expansion der Rüstungsproduktion zu ermöglichen, mussten neben den ursprünglich bestehenden 30 Gebäuden 138 weitere errichtet werden, dazu noch 93 Holzbaracken. Hergestellt wurden Feld- und Belagerungskanonen unterschiedlicher Kaliber, Verteidigungs- und Belagerungsmörser. Auch andernorts produzierte Geschütze der k. u. k. Armee wurden im Arsenal zusammengebaut. Das Arsenal diente aber auch als Reparaturwerkstätte von Beutewaffen, deren Rohmaterial zum Teil auch für die Neuproduktion von Waffen verwendet wurde.

Eine zeitgenössische Schilderung zeigt eine Tag und Nacht arbeitende Kriegsmaschinerie: „Weit draußen aber, hinter den Rohziegelmauern des Arsenals, pocht und hämmert es schier ohne Aufhören. Beschädigte Geschütze, verdorbene Maschinengewehre, zerbrochene Trainwagen und andre verbogene, zersplitterte, schiefgewordene und geborstene Werkzeuge der großen Schlachten in allen Weltgegenden erwachen hier zu neuer Kriegstüchtigkeit. Feuerströme glühflüssiger Bronze zischen rauchend in geheimnisvolle Kanäle, Dampfhämmer schmettern auf heißes Metall nieder, Zirkularsägen kreischen und Späne fliegen. Allerlei geheimnisvolle, der Oeffentlichkeit streng verborgene Arbeiten gehen hier vor sich, und ihre Resultate verlassen wohlverpackt die starken, gut verwahrten Tore, gleichviel, ob es sich um einen Ballen mit neuen Pferdehalftern oder um ein kompliziertes Geschütz handelt, dessen Umrisse sich kaum erkennbar unter der wasserdichten Plache abzeichnen. Ein Heer von militärisch organisierten, an einen genauen und strengen Pflichtenkreis gebundenen Männern arbeitet in Schichten, ein Stab von geschulten und erfahrenen Ingenieuren, Artilleristen und sonstigen Fachleuten überwacht, leitet, konstruiert und verbessert. Hier herrscht ein eisernes Muß, ein karges, unerbittliches Pflichtgebot, das nur ein sehr bescheidenes Maß von Ruhe und Rast erlaubt …“ (Neues Wiener Tagblatt, 9.1.1916).

Tatsächlich begann jedoch auch im Arsenal ab Mai 1917 die Stimmung unter den Arbeitern aufgrund der immer prekärer werdenden Nahrungsmittelversorgung zu kippen. Zu Streiks kam es jedoch erst im Zuge der großen Streikbewegung im Jänner 1918. Und auch diese hielt dank des kalmierenden Einsatzes des Führers der Sozialdemokraten, Victor Adler, nicht lange an. Im Wesentlichen funktionierte die Rüstungsmaschine Arsenal bis Kriegsende. Danach schützte eine Arbeiterwehr die großen Armeebestände vor Plünderung und Diebstahl. Sie ging nahtlos in die „Volkswehr“ der jungen Republik über.

Bibliografie 

Neck, Rudolf: Arbeiterschaft und Staat im Ersten Weltkrieg 1914-1918 (A. Quellen). I: Der Staat, Band 2: Vom Juni 1917 bis zum Ende der Donaumonarchie (Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte der Arbeiterbewegung in Österreich 4), Wien 1968

Schubert, Peter/Schubert, Wolfgang: Das Wiener Arsenal, Klosterneuburg o.J.

Strauß, Ferdinand: Industrielle Betriebe, in: Dorn, Klemens (Red.): Favoriten. Ein Heimatbuch des 10. Wiener Gemeindebezirkes, Wien 1928, 116–161

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

  • Aspekt

    Der industrialisierte Krieg

    Der Erste Weltkrieg war ein Krieg des enormen Materialeinsatzes. Die Armeen mit ihren Massenheeren mussten ausgerüstet und versorgt werden. Die Materialschlachten wären ohne die großindustrielle Herstellung von Waffen und anderen kriegsnotwendigen Produkten unmöglich gewesen. Nur durch die gesamtgesellschaftliche Mobilisierung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen konnte die riesige Kriegsmaschinerie aufrechterhalten werden.

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Revolutionäre Bewegungen, Streikbewegungen

    Die Umstellung der Produktionsstätten auf Kriegswirtschaft und der Einsatz der Männer an der Front bedingte, dass zunehmend Frauen in zuvor typischen Männerberufen, wie beispielsweise in Betrieben der Rüstungsindustrie, beschäftigt wurden. Frauen mussten auch die Versorgung ihrer Familien übernehmen und reagierten daher auch als Erste mit Protestaktionen auf die zunehmend prekäre Ernährungslage und auf extrem schlechte Arbeitsbedingungen in den Betrieben.

Entwicklungen