Die Wiener Wirtschaft im Ersten Weltkrieg
Mit dem Wirtschaftsstandort Wien verbindet man traditionell eine von Klein- und Mittelbetrieben sowie von Konsumgüter- und Luxusindustrien geprägte metropolitane Ökonomie. Dieses Bild täuscht jedoch. In den letzten Jahrzehnten der Donaumonarchie hatte sich Wien zu einer modernen Industriestadt entwickelt. Nach einer Umstellungskrise in den ersten Kriegsmonaten erwiesen sich Maschinenbau, Metallverarbeitung, Elektro- und nicht zuletzt Konsumgüterindustrie für die Kriegswirtschaft von großer Bedeutung. Diese Krise war durch die große Zahl von Einrückungen während der ersten Kriegswochen und -monate, durch Transportprobleme und die Umstellung auf Rüstungsproduktion ausgelöst worden. Ab Herbst 1914 kam die Kriegskonjunktur jedoch in Gang und hielt bis etwa Herbst 1917 an. Die wichtigen Rüstungsbetriebe lagen räumlich konzentriert im ‚Industriecluster‘ im Süden (Favoriten) und Nordosten (Floridsdorf) der Stadt, ergänzt durch eine namhafte Anzahl von größeren Gewerbebetrieben im 6. und 7. Bezirk. Neben der Produktion von Munition und Bekleidung nahmen vor allem die Fahrzeug- und Elektroindustrie einen enormen Aufschwung. Nach und nach bremsten jedoch Arbeitskräftemangel, die schlechte Versorgungslage und der zunehmende Mangel an Rohstoffen den industriellen Output. Dennoch kam es bis Kriegsende zu keinem totalen Einbruch in der Kriegsindustrie, die selbst noch 1918 Kriegsmittel in großer Zahl produzierte. An der „inneren Front“ war jedoch angesichts der Arbeits- und Lebensbedingungen in den Großbetrieben der Niedergang nicht mehr aufzuhalten und artikulierte sich in großen Streikbewegungen.