Die Tschechen
Die Tschechen stellten nach den Deutschen und Magyaren die drittstärkste Nationalität in der Habsburgermonarchie dar.
Der Verlauf der tschechischen Nationswerdung kann als geradezu prototypisch für die kleineren Völker Zentraleuropas gesehen werden. Nach einem rasanten Aufholprozess auf kulturellem, ökonomischem und sozialem Gebiet wurde die moderne tschechische Nation mit ihrem ausgeprägten Selbstbewusstsein zu einer Konkurrentin zu den bisher dominanten deutschsprachigen Bewohnern der böhmischen Länder.
Zu einer Verhärtung der Fronten führte vor allem die Frage der Stellung der böhmischen Länder innerhalb der Monarchie, wobei die tschechische Politik auf der Forderung nach einer weitgehenden Autonomie nach dem Vorbild des Österreichisch-Ungarischen Ausgleichs von 1867 beharrte, was von den böhmischen Deutschen, die dadurch in eine Minderheitenposition geraten wären, vehement abgelehnt wurde. Der erbitterte tschechisch-deutsche Antagonismus erschütterte die Habsburgermonarchie in ihren Grundfesten.
Der Erste Weltkrieg stellte für die Haltung der Tschechen zur österreichischen Monarchie einen Wendepunkt dar: Während bei Kriegsausbruch der Großteil der Tschechen keine Alternative zur Existenz im Rahmenwerk der Habsburgermonarchie sah, kristallisierte sich gegen Kriegsende die staatliche Selbstständigkeit als gangbarer Weg heraus.