Der Sturz der Symbole der habsburgischen Herrschaft

Die Zerstörung von Symbolen der Fremdherrschaft – wie der Prager Mariensäule und des Pressburger Maria-Theresien-Denkmals – war Ausdruck der Überwindung der nationalen Unterdrückung und der neu erlangten Unabhängigkeit. Interessant sind auch das ‚Nachleben’ dieser historischen Monumente und der öffentliche Umgang mit ihnen in der Zeit nach 1989.

Die Mariensäule auf dem Prager Altstädter Ring wurde von Kaiser Ferdinand III. zum Dank für die erfolgreiche Verteidigung der Prager Altstadt gegen das schwedische Heer 1648 gestiftet. Im 19. Jahrhundert, als man ein national-tschechisches Geschichtsbild schuf und die katholische Gegenreformation als „Epoche der Finsternis“ (tschech. temno) verdammte, interpretierte die nationalistische Polemik die barocke Säule als besonders schmerzhaftes Symbol habsburgischer Unterdrückung im Herzen Prags. Sozusagen als ideologisches Gegenstück stellte man der Mariensäule 1915 ein monumentales Denkmal für Jan Hus gegenüber.

Am 3. November 1918 wurde die Säule als Zeichen der „nationalen Befreiung“ im Zuge der Errichtung der unabhängigen tschechoslowakischen Republik von einer „aufgebrachten Volksmenge“ unter der Führung einiger nationalistischer Agitatoren gestürzt.

1990, nach dem Ende des kommunistischen Regimes, bildete sich eine Gesellschaft zur Wiedererrichtung des Denkmals. Nach deren Plänen sollte eine mit den erhaltenen Fragmenten ergänzte Replik an der ursprünglichen Stelle aufgestellt werden. Daran entzündete sich eine langwierige Diskussion um den Umgang mit der Geschichte, die bis heute anhält. Seit 1993 erinnert eine Markierung in der Pflasterung an den Standort. Die endgültige Entscheidung über die Wiederaufstellung der Säule ist immer noch ausständig.

Auch in der Slowakei gab es einen Fall von antihabsburgischem Bildersturm, auch wenn hier die Zusammenhänge beim Sturz des Maria-Theresien-Denkmals in Bratislava anders gelagert waren.

Das Denkmal der habsburgischen Herrscherin stand am heutigen Námestie Ľudovíta Štúra, einem besonders prominenten Platz am Donauufer. Als im 18. Jahrhundert die Stadt an der Donau Schauplatz der ungarischen Königskrönungen war, wurde an dieser Stelle der Krönungshügel aus Erde aller Teile des Königreiches aufgeschüttet. Im Zuge der Feierlichkeiten musste der frisch gekrönte Monarch hoch zu Ross den Hügel erklimmen und mit dem Schwert des Hl. Stephan in der Hand symbolisch die Feinde der Nation vertreiben. Auch die junge Herrscherin Maria Theresia unterwarf sich 1741 diesem Brauch.

Das Denkmal stammte jedoch aus dem späten 19. Jahrhundert und wurde anlässlich der  ungarischen „Milleniumsfeierlichkeiten“ 1896 von der Pressburger Stadtgemeinde in Auftrag gegeben. Das Denkmal aus weißem Carrara-Marmor zeigte die Königin hoch zu Ross und flankiert von einem ungarischen Magnaten in üppiger Tracht, der mit einer ausladenden Geste seiner Hand, die in Richtung Donau wies, der Herrscherin das Land anerbot.

Die Symbolik des Denkmals beschwörte einen historischen Mythos Ungarns: Die am Sockel angebrachte Inschrift: „VITAM ET SANGUINEM“ (Leben und Blut) verwies auf den legendären ungarischen Landtag 1741, bei dem Maria Theresia von den ungarischen Ständen Hilfe versprochen wurde, welche die um ihr Erbe kämpfende junge Habsburgerin auch dringend benötigte. Es ist dies ein Schlüsselmoment für die pro-habsburgische Version des „patriotischen“ Geschichtsbilds in Ungarn.

Nach dem Untergang des historischen Königreiches Ungarn wurde Pozsony/Pressburg/Prešborok nun Teil der Tschechoslowakei. Die Umbenennung der Stadt in Bratislava sollte einen Wendepunkt markieren. Doch weder die Republiksgründung im Oktober 1918, noch die endgültige Durchsetzung der Nachkriegsordnung als Resultat der Pariser Vororteverträge bedeuteten das Ende der historisch aufgeladenen Statue.

Dies kam erst als Reaktion auf den zweiten Restaurationsversuch des abgesetzten Habsburgers Karl I. (als ungarischer König Károly IV.) im Herbst 1921. Dies führte zur Mobilisierung der tschechoslowakischen Armee, da man in einer Wiedererrichtung der habsburgischen Herrschaft in Ungarn eine Gefährdung der Existenz der neuen tschechoslowakischen Republik sah. In einem Augenblick nationaler Ekstase reagierten sich die in Gefechtsbereitschaft gesetzten Legionäre am 26. Oktober 1921 an der Statue ab.

An der Stelle wurde 1937 ein neues Denkmal gesetzt, das nun Milan Rastislav Štefánik, einem slowakischen Gründervater der Tschechoslowakei, gewidmet war. Štefánik musste bereits 1940 wieder weichen, als in der faschistischen Slowakei das Andenken an den gemeinsamen Staat mit den Tschechen nicht opportun war. Die Kommunisten schmückten die Stelle 1960 mit einem Denkmal für die nationalen Erwecker der Slowaken im 19. Jahrhundert. Im Oktober 2010 wurde schließlich direkt am Donauufer eine verkleinerte Kopie des Maria-Theresien-Denkmals aufgestellt, was zu hitzigen Diskussionen in den Medien führte.

Bibliografie 

Hojda, Zdeněk: Mladá panovnice se chce vrátit na místo své korunovace (dt.: Die junge Herrscherin möchte auf den Platz ihrer Krönung zurückkehren), in: Dějiny a současnost 4, 2012, S. 12

http://www.marianskysloup.cz/clanky/novinove-clanky.html (Homepage der Gesellschaft für die Erneuerung der Mariensäule am Altstädter Ring in Prag/Společnost pro obnovu Mariánského sloupu na Staroměstském náměstí v Praze; Abfragedatum: 05.04.2014)

http://praha.idnes.cz/na-staromestske-namesti-v-praze-se-vrati-mariansky-sloup-mozna-i-kasna-1mo-/praha-zpravy.aspx?c=A120512_1777133_praha-zpravy_sfo (Abfragedatum: 05.04.2014) 

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Aspekt

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    Nach dem Krieg

    Mit dem Ersten Weltkrieg ging das „lange 19. Jahrhundert“ zu Ende. An die Stelle der monarchischen Imperien traten neue politische Player. Die k. u. k. Monarchie zerfiel in einzelne Nationalstaaten. Im November 1918 wurde die Republik Deutschösterreich proklamiert, im Oktober 1920 Österreich als Bundesstaat errichtet. Die Jahre nach dem Krieg waren überaus bewegt: Sie changierten in einem Spannungsverhältnis von Aufbruch und Niederlage, zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Errungenschaften und Rückschlägen.