Um der Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten innerhalb der Armee entgegenzuwirken, verfolgten die einzelnen Militärführer unterschiedliche Methoden.
Die Verteilung von Schutzmitteln wurde als wichtige Maßnahme im Kampf gegen venerische Erkrankungen angesehen. Die österreichisch-ungarischen Soldaten wurden durch die Militärverwaltung mit sogenannten „Viro-Päckchen“ ausgestattet. Dabei handelte es sich um ein „Schutzbesteck“, bestehend aus Vaseline, Kondomen und einer antiseptischen Lösung oder Seife. Außerdem war eine Protargollösung enthalten, die zur Desinfektion in die Harnröhre eingeträufelt werden musste. Laut Angaben der Wiener medizinischen Wochenschrift trug diese Maßnahme wesentlich zum Rückgang der Geschlechtskrankheiten gegen Ende des Krieges bei.
Aufgrund von deren zunehmenden Verbreitung veröffentlichte das Kriegsministerium im Dezember 1916 eine „Belehrung für Soldaten, die während des Krieges an Syphilis erkrankt waren“. Die österreichisch-ungarischen Soldaten erhielten zudem eine Broschüre mit dem Titel „Wie bewahrt Ihr Euch vor Syphilis“, die in neun Sprachen, deutsch, ungarisch, tschechisch, polnisch, ruthenisch, kroatisch, slowenisch, rumänisch und italienisch, erschien. Mittels dieser Merkblätter und Broschüren sollten die Soldaten über die verschiedenen Infektionskrankheiten wie Tripper (Gonorrhoe) oder Syphilis sowie über mögliche Schutzmaßnahmen informiert werden. Feldsanitäter oder auch Truppenoffiziere sollten die Mannschaften über die Geschlechtskrankheiten aufklären und sie in der Prophylaxe unterrichten.
Innerhalb der k. u. k. Armee gab es keine einheitliche Regelung für die Bestrafung erkrankter Militärpersonen. Es wurden sowohl drakonische als auch laxe Strafmaßnahmen verfolgt, wobei erstere häufig die Geheimhaltung der Infektion zur Folge hatten. Soldaten, die sich im Hinterland eine Geschlechtskrankheit zuzogen, wurden nach ihrer Rückkehr an die Front verhört. Zur Bestrafung kam es nur dann, wenn der Nachweis erbracht werden konnte, dass die Soldaten zu ihrem Schutz keine Prophylaktika verwendet hatten. Auch die wissentliche Ansteckung weiterer Personen stand unter Strafe und wurde mit Arrest oder sogar mit Kerker geahndet. In der serbischen Armee wurden geschlechtskranke Soldaten grundsätzlich bestraft.
Um der Ausbreitung der Geschlechtskrankheiten entgegenzuwirken und eine adäquate Behandlung zu gewährleisten, wurden eigene Veneriespitäler eingerichtet. Salvarsan, eine Arsenverbindung, und Quecksilbersalben zählten zu den am häufigsten angewandten Arzneimitteln. Die Entlassung der betroffenen Männer und Frauen erfolgte vielfach zu früh, weshalb sie noch infektiös waren. Die erkrankten Soldaten wurden zumeist in einem der Front- oder Etappenspitäler versorgt und waren damit nicht derselben Stigmatisierung ausgesetzt, die geschlechtskranke Frauen in der Heimat erfuhren. Für deren Behandlung errichteten die Militärbehörden eigene Frauenspitäler. Häufig genügte bereits der bloße Verdacht einer venerischen Infektion, um die Frauen im Spital zu internieren. Dies geschah teilweise durch die örtlichen Exekutivorgane, welche die Verdächtigen öffentlich abführten. Zur gesellschaftlichen Diskreditierung kamen häufig existenzielle Probleme hinzu, da sich viele Dienstgeber weigerten, aus dem Veneriespital entlassene Frauen anzustellen und diese in die Arbeitslosigkeit abrutschten.
In einem Bericht des Landessanitätsinspektors Witsch über das Frauenspital in Schwaz in Tirol wird die gesellschaftliche Stigmatisierung deutlich, mit der die geschlechtskranken Frauen konfrontiert wurden. Ihre Internierung, so heißt es hier, „wird sehr polizeimäßig durchgeführt, so als ob es sich um die Aufbringung und Unschädlichmachung strafwürdiger Individuen handelte. […] Viele Frauen erzählen, dass sie von der Arbeitsstelle oder vom Hause weg durch die Gendarmerie abgeführt worden seien, wobei sie keine Zeit gehabt hätten, ihre Sachen zu ordnen, Wäsche und Kleidung mitzunehmen. Man habe sie vielfach ohne Angabe des Grundes sofort zur Bahn gebracht und nach Schwaz geführt. […] Fälle, dass derartige Eingelieferte gesund, ja als geschlechtlich unberührte Jungfrauen befunden wurden, sind vorgekommen.“
Die unterschiedlichen Methoden, die innerhalb der k. u. k. Armee zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten angewandt wurden, zeigten letztlich ihre Wirkung. Während 1915 noch 12,2 % der österreichisch-ungarischen Soldaten an einer Geschlechtskrankheit litten, konnte deren Zahl bereits 1916 auf 6,4 % gesenkt werden.
Biwald, Brigitte: Von Helden und Krüppeln. Das österreichisch-ungarische Militärsanitätswesen im Ersten Weltkrieg. Teil 2, Wien 2002
Breitenstein, Max/Koropatnicki, Demeter: Die Kriegsgesetze Österreichs. V. Band, Wien 1918
Dietrich, Elisabeth: Der andere Tod. Seuchen, Volkskrankheiten und Gesundheitswesen im Ersten Weltkrieg, in: Eisterer, Klaus/Steininger, Rolf (Hrsg.): Tirol und der Erste Weltkrieg, Innsbruck 2011, 255-275
Hirschfeld, Magnus/Gaspar, Andreas: Sittengeschichte des Ersten Weltkrieges, 2. Auflage, Hanau am Main 1966
Überegger, Oswald: Krieg als sexuelle Zäsur? Sexualmoral und Geschlechterstereotypen im kriegsgesellschaftlichen Diskurs über die Geschlechtskrankheiten. Kulturgeschichtliche Annäherungen, in: Kuprian, Hermann J. W./Überegger, Oswald (Hrsg.): Der Erste Weltkrieg im Alpenraum. Erfahrung, Deutung, Erinnerung. La Grande Guerra nell’arco alpino. Esperienze e memoria, Innsbruck 2006, 351-366
Zitate:
„wird sehr polizeimäßig durchgeführt …“: Bericht des k. k. Landes-Sanitäts-Inspektors Dr. von Witsch über eine Besichtigung des k. u. k. Frauenspitales in Schwaz am 28.8.1917, zitiert nach: Überegger, Oswald: Krieg als sexuelle Zäsur? Sexualmoral und Geschlechterstereotypen im kriegsgesellschaftlichen Diskurs über die Geschlechtskrankheiten. Kulturgeschichtliche Annäherungen, in: Kuprian, Hermann J. W./Überegger, Oswald (Hrsg.): Der Erste Weltkrieg im Alpenraum. Erfahrung, Deutung, Erinnerung. La Grande Guerra nell’arco alpino. Esperienze e memoria, Innsbruck 2006, 363
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Kapitel
- Trennung der Ehepaare und sexuelle Mobilität im Ersten Weltkrieg
- Geburtenrückgang während des Ersten Weltkriegs
- „Die Mobilisierung der Wiegen“
- Zwischen staatlicher Kontrolle und gesellschaftlicher Ächtung
- Zwischen Enthaltsamkeit und Bedürfnisbefriedigung
- Geschlechtskrankheiten und deren Bekämpfung in der k. u. k. Armee
- „Am Anfang widerstehe“
- Zur sexuellen Entspannung der Soldaten
- Zwischen Vorbeugung und Strafandrohung
- Sexuelle Gewalt im Ersten Weltkrieg
- Sexuelle Gewalt als Gegenstand der alliierten Kriegspropaganda