Tonpropaganda im Ersten Weltkrieg – Habsburger und Generäle sprechen zur militärischen Lage

Während des Ersten Weltkrieges wurde die Propaganda als wesentliches Moment der modernen Kriegsführung erkannt. Neben Plakaten, Flugblättern und Postkarten mit patriotischen Motiven und den Feind verunglimpfenden Parolen wurden auch Tonaufnahmen mit politischen Ansprachen und propagandistischen Musikstücken angefertigt.


 

Die militärischen und politischen Führer der Habsburgermonarchie bemühten sich, die Bevölkerung von der Notwendigkeit des Krieges zu überzeugen und die Identifikation mit dem Habsburgerreich und dessen Kriegszielen zu stärken.

Im Archiv der Österreichischen Mediathek befindet sich eine Schallplattenserie von acht Schellackplatten, die von der Firma Lindström erzeugt und vom k. k. Österreichischen Militär- Witwen- und Waisenfonds in Auftrag gegeben wurde. Diese Reihe enthält unter anderem eine Aufnahme von Generalstabschef Franz Freiherr Conrad von Hötzendorf (vom 1. November 1915), in der er den „innigen Zusammenschluss“ aller Völker der Monarchie als eine der „bedeutungsvollsten Erscheinungen des jetzigen katastrophalen Krieges“ beschwor und an das Pflichtgefühl jedes Einzelnen appellierte: „Nur wo, mit dem großen Ziel vor Augen, jeder Teil bis zum einzelnen herab seine Schuldigkeit tut, ist der Erfolg zu erhoffen.“ Conrad von Hötzendorf bezeichnete den Krieg als Katastrophe und den Sieg als ungewiss, wenn auch zu „erhoffen“. Im Gegensatz zu den bekannten propagandistischen Parolen, die militärische Überlegenheit und den sicheren Sieg der Mittelmächte beschworen, musste Conrad von Hötzendorfs Stellungnahme eher ernüchternd wirken.

Anders als die Ansprache des Generalstabschefs war der Aufruf des österreichischen Thronfolgers und späteren Kaisers Karl vom 16. Februar 1916 von Optimismus und Vertrauen in die Kampfkraft der Truppen geprägt. Der Erzherzog würdigte die Kaisertreue sowie die „Siegeszuversicht“ der Soldaten und beschwor die mit dem Krieg vermeintlich einhergehende Einheit der Völker des Habsburgerreiches. „Ich war an allen Fronten, bei allen Truppen unserer glorreichen Armee. Ich sah alle Nationalitäten der weiten Monarchie in vollster Eintracht einem großen Ziele entgegengehen, einem glorreichen Frieden.“ Der Thronfolger pries die Opferbereitschaft sowie das Durchhaltevermögen der „Helden des Hinterlandes […], die durch den Krieg entweder ihr Liebstes verloren haben oder in beständiger Angst und Sorge um ihre Verwandten leben.“ Er schloss mit einer Anerkennung der Tätigkeiten der „Kriegsfürsorge, wo jeder, der nicht selbst mit dem Schwert in der Hand das Vaterland verteidigen kann, durch unendliche Wohltaten allen braven Kriegern ihre schweren Leiden zu erleichtern bestrebt ist“.

Neben solchen Ansprachen wurden auch propagandistische Musikstücke aufgezeichnet. Die Österreichische Mediathek ist im Besitz einer Tonaufnahme des berühmten Schauspielers und Komikers Richard Waldemar, der in einem siebenstrophigen Couplet mit dem Titel „Kabarettlieder zur militärischen Lage“ aus dem Jahr 1915 den Feind zu erniedrigen und die Siegesgewissheit der k. u. k. Truppen zu bekräftigen wusste.

Die erste Strophe bezieht sich auf den Erfolg der Mittelmächte in der Schlacht von Tarnów-Gorlice, wo Russland im Mai 1915 geschlagen wurde und in weiterer Folge große territoriale Verluste zu verzeichnen hatte. In der zweiten Strophe mimte Waldemar einen Infanteristen, der an seine Geliebte schreibt:

 „Du Kaderl [Katharina], wie ham wir gedroschen,

Franzosen und Engländer schwer.

Auch d’Russen ham kriagt oans auf d’Goschn,

mein Liebstes, was willst du noch mehr?“

In der dritten Strophe schreibt der russische Zar an den späteren deutschen Generalstabschef Hindenburg, in der vierten Strophe England an seine Wehrpflichtigen, in der fünften Strophe Nikita (Nikola), König von Montenegro, an seinen Schwiegersohn Viktor Emanuel III., König von Italien. In der sechsten Strophe nimmt Waldemar auf den belgischen König Albert I. Bezug und schließt in der letzten Strophe mit dem Brief eines Landsturmmannes, der für seine Frau die folgenden aufmunternden Zeilen formuliert:

„Ich ergreif’ die Feder, liebes Kind,

und schreibe dir mit Bleistift und geschwind,

dass wir nach dem Schützengraben

das allerschönste Leben haben.“

Bibliografie 

Alle Informationen zu den im Besitz der Mediathek befindlichen Tondokumenten entstammen der Website der Österreichischen Mediathek.

http://www.mediathek.at/virtuelles-museum/kriegstoene/cid/5393 (22.03.2014)

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Überwachung & Kontrolle

    Der Alltag in der Habsburgermonarchie war von Propaganda, Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet. Die vielen „weißen“ Flecken in den Tageszeitungen zeugen davon ebenso wie Eingriffe in private Briefe und Telegramme. Gleichzeitig wurde durch Bild, Text und Ton versucht, ein einheitliches und kriegsbejahendes Stimmungsbild zu verbreiten. Ausgeschlossen davon waren nicht einmal die jüngsten Bewohner des Reiches; auch die Schulen der Monarchie wurden zu Orten der staatlichen Einflussnahme.

  • Person

    Karl I.

    Der letzte Kaiser bestieg 1916 den Thron und regierte bis zum Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie im November 1918.