Der Erste Weltkrieg im Zerrspiegel der Karikaturen
Als Propagandamedium war die Karikatur besonders erfolgreich, da sie mit subtilen visuellen Mitteln große Wirkung entfalten konnte. Als Reaktion auf aktuelle (Kriegs-)Ereignisse wurden rasch (Um-)Wertungen und Emotionen verbreitet.
Mit dem Aufstieg der bebilderten Sensationspresse kam dem Pressebild zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine entscheidende Bedeutung in der Vermittlung von Nachrichten und Ereignissen zu. Zur selben Zeit erlebte die Karikatur in den Tages-, Wochen- und Satireblättern ihren Höhepunkt. Mit Kriegsausbruch und unter Druck der Zensurbehörden wichen die meisten KarikaturistInnen von ihrer spöttischen Kritik an der Innenpolitik ab und schworen sich auf die Propagandalinie der Regierung ein. Karikaturen erfüllten die Funktion, die Bevölkerung für den Krieg zu mobilisieren, zum Durchhalten aufzurufen und Feindbilder zu schüren.
Übertreibung, Verallgemeinerung und eine klar erkennbare Wertungstendenz (abwertend oder glorifizierend, aggressiv, belustigend, etc.) zählten zu den wesentlichsten Stilelementen der Karikatur. Im Zentrum der Zerrbilder stand eine bildliche Darstellung, die häufig von kurzen Textpassagen begleitet wurde. Das Zusammenspiel von Bild und Text vermittelte eine eindeutige Aussage, die meist anlassbezogen war und die subjektive Meinung des/der VerfasserIn wiedergab. Als Blickfang der Propaganda setzten die KarikaturistInnen auf die Assoziationen der BetrachterInnen. Die verschwimmende Grenze zwischen Wahrheit und Trugbild wurden dabei als Stilmittel bewusst eingesetzt.
Gräuelkarikaturen und Hetzbilder verunglimpften die gegnerischen Staaten. Mit negativen Attributen ausgestattet und durch Übertreibungen herabgesetzt, wurden sie der Lächerlichkeit preisgegeben. Stereotype Hassbilder bauten auf tradierten Klischees auf und bezogen sich häufig auf konkrete Personen, auf die der Hass auf das feindliche Lager bzw. Land übertragen wurde. Besonders beliebt waren Figuren des öffentlichen Lebens, die durch eine unvorteilhafte Physiognomie auffielen. Bezeichnend dafür war die Darstellung des englischen Außenministers Sir Edward Grey in der deutschsprachigen Karikatur.
Häufig wurden die Kriegsgegner durch nationale Symbolfiguren dargestellt: Germania verkörperte das Deutsche Kaiserreich, Austria die Österreichisch-Ungarische Monarchie, John Bull personifizierte England, Marianne stand für Frankreich und Amerika wurde von Uncle Sam dargestellt. Ein weiterer Kunstgriff machte Nationen zu Tieren: England trat in der Gestalt einer Bulldogge auf, der Hahn mimte Frankreich, Italien wurde von einer Schlange verkörpert, Japan von einem Affen symbolisiert und Russland in Gestalt des Bären gezeichnet. Österreich-Ungarn erschien als doppelköpfiger Adler und Deutschland wurde als Stauffer-Adler dargestellt. Durch dauernde Wiederholung konnte man die Gestalt der einzelnen Nationen rasch wiedererkennen.
Demm, Eberhard (Hrsg.), Der Erste Weltkrieg in der internationalen Karikatur, Hannover 1988
Demm, Eberhard Karikaturen aus dem Ersten Weltkrieg. Eine Ausstellung des Bundesarchivs, Koblenz 1990
Tomenendal, Kerstin: Das Türkenbild in Österreich-Ungarn während des Ersten Weltkrieges im Spiegel der Kriegspostkarten, Klagenfurt/Wien/Ljubljana 2008
Topitsch, Klaus: Die Greuelpropaganda in der Karikatur, in: Zühlke, Raoul, Bildpropaganda im Ersten Weltkrieg, Hamburg 2000, 49-92
Vocelka, Karl: K. u. k.: Karikaturen u. Karikaturen zum Zeitalter Kaiser Franz Josephs, Wien/München 1986
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Kapitel
- Propaganda: Psychologische Kriegsführung im Ersten Weltkrieg
- Der Kampf um Herzen und Köpfe
- Freund und Feind – Schuld und Unschuld in der Weltkriegspropaganda
- „Laßt eure Herzen schlagen zu Gott und Eure Fäuste auf die Feinde“
- Der Erste Weltkrieg im Zerrspiegel der Karikaturen
- Der Krieg an der Wand
- Die Wahrheit aus den Wolken
- Die Stimme des Kaisers
- Von Tönen und Klängen