Der Kampf um Herzen und Köpfe

Die Professionalisierung der geistigen Mobilmachung im Ersten Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg wurden erstmals eigene Propagandaeinrichtungen geschaffen, um eine möglichst einheitliche Wahrnehmung des Krieges zu erzeugen. England und die USA nahmen in der psychologischen Kriegsführung eine Vorreiterrolle ein. Die Mittelmächte unterschätzten vorerst die Möglichkeiten der Propaganda und begannen erst im Verlauf des Krieges, propagandistische Maßnahmen zentral zu organisieren.

Im internationalen Vergleich waren die propagandistischen Bestrebungen in Österreich-Ungarn zu Kriegsbeginn defensiv. In den ersten Kriegsjahren existierte noch keine zentrale Propagandastelle; es überwog vielmehr eine strenge Zensur. Agitationsmaßnahmen wurden in erster Linie von privaten Vereinen betrieben, die vom Staat unterstützt, auf Plakaten, Postkarten und Flugblättern zur karitativen Mobilisierung der Bevölkerung aufriefen. Von staatlicher Seite bemühte sich das „Kriegspressequartier“ (KPQ), das dem Armeeoberkommando unterstellt war, um die Beeinflussung der In- und Auslandspresse und die Stimmung in der Bevölkerung. Erst ab März 1917 entwickelte sich das KPQ unter der Leitung von Oberst Wilhelm Eisner-Buba zum meinungsbildenden Zentrum. Er erweiterte das KPQ um eine Kunstgruppe sowie eine Bild- und Filmstelle und institutionalisierte die Öffentlichkeitsarbeit nach britischem Vorbild. Die Aufgabenbereiche des KPQ umfassten neben der Zensur, Überwachung und Einflussnahme auf die in- und ausländische Presse die Herausgabe von Bildwerken, die Abwehr feindlicher Propaganda und die Umsetzung von Propagandaaktionen im In- und Ausland.

In Deutschland lagen das Auswärtige Amt und die Oberste Heeresleitung in einem Kompetenzstreit über die Zuständigkeit für Pressezensur und Öffentlichkeitsarbeit. Im Herbst 1915 ging man zu einer offensiven Nachrichtenpropaganda im Sinne einer Lenkung der ‚öffentlichen Meinung‘ über, baute aber erst im Frühjahr 1917 das Kriegspresseamt zu einer umfangreichen Propagandaabteilung aus. Offiziere, Schriftsteller, Journalisten, Karikaturisten und Fotografen arbeiteten an der Kommunikation des Krieges nach Propagandarichtlinien. Das Kriegspresseamt überwachte die Kriegsberichterstattung, koordinierte die Herausgabe der Armeezeitungen und veröffentlichte Broschüren, Plakate und Flugblätter. Allerdings war das Nachrichtenmonopol in Deutschland durch die Zulassung von Zeitungen aus dem neutralen Ausland nicht ungebrochen.

In Großbritannien wurde auf Initiative des Kriegsministeriums das War Propaganda Bureau gegründet, um die Kriegspropaganda effizient zu steuern. Die Leitung der nach seinem Standort auch Wellington House genannten Zentralstelle für Zensur und Propaganda übernahm Charles Masterman, unter dessen Obhut allein in den ersten Kriegsjahren rund 2,5 Millionen Bücher, Proklamationen und Broschüren in 17 Sprachen verfasst, im Inland verteilt und ins neutrale Ausland versandt wurden. 1917 wurde das Büro zum Departement of Information und 1918 zu einem eigenen Ministerium aufgewertet.

In den USA leitete der Journalist Georg Creel das „Committee on Public Information“ (CPI), das wöchentlich rund 20.000 Zeitungsartikel verfasste. Ziel des CPI war es, die öffentliche Meinungsbildung im Interesse der Politik zu steuern und die Bevölkerung für den Weltkrieg zu mobilisieren. Inhaltlich orientiert am Vorbild der britischen Gräuelpropaganda, die intensiv gegen Deutschland mobil machte, war das Committee direkt dem Präsidenten unterstellt.

Bibliografie 

Cornwall, Mark: The Undermining of Austria-Hungary. The Battle for Hearts and Minds, Basingstoke 2000

Jeismann, Michael: Propaganda, in: Hirschfeld, Gerhard/Krumeich, Gerd/Renz, Irene (Hrsg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn/München/Wien 2009, 198-209

Mayer, Klaus: Die Organisation des Kriegspressequartiers beim k.u.k. AOK im Ersten Weltkrieg 1914-1918, Unveröffentlichte Dissertation, Universität Wien, Wien 1963

Mruck, Tanja: Propaganda und Öffentlichkeit im Ersten Weltkrieg, Aachen 2004

Sanders, M.L./Taylor, Philip M.: Britische Propaganda im Ersten Weltkrieg 1914-1918, Berlin 1990

Schmidt, Anne: Belehrung – Propaganda – Vertrauensarbeit. Zum Wandel amtlicher Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland 1914-1918, Essen 2006

Tomenendal, Kerstin: Das Türkenbild in Österreich-Ungarn während des Ersten Weltkrieges im Spiegel der Kriegspostkarten, Klagenfurt/Wien/Ljubljana 2008

 

 

Inhalte mit Bezug zu diesem Kapitel

Aspekt

Personen, Objekte & Ereignisse

  • Objekt

    Überwachung & Kontrolle

    Der Alltag in der Habsburgermonarchie war von Propaganda, Überwachung und Kontrolle gekennzeichnet. Die vielen „weißen“ Flecken in den Tageszeitungen zeugen davon ebenso wie Eingriffe in private Briefe und Telegramme. Gleichzeitig wurde durch Bild, Text und Ton versucht, ein einheitliches und kriegsbejahendes Stimmungsbild zu verbreiten. Ausgeschlossen davon waren nicht einmal die jüngsten Bewohner des Reiches; auch die Schulen der Monarchie wurden zu Orten der staatlichen Einflussnahme.